: Wiesbadener Hausbesetzung-betr.: Günter-Sare-Straße 23
Günter-Sare-Straße 23
Wir haben dieses Haus vor viereinhalb Wochen besetzt. Wir sind damit dem Abriß durch die Stadt zuvorgekommen, haben die Vernichtung erhaltenswerten Wohnraumes verhindert und damit begonnen, unser Leben selbst zu organisieren. (...) Die Bausubstanz des Hauses ist erhaltenswert. Dem Bau von Sozialwohnungen steht der Erhalt unseres Hauses auch nicht im Wege. Außerdem haben wir gehört, daß hier eine Ladengalerie rein soll, das heißt Modernisierung fürs Kapital und gegen die BewoherInnen. Nachdem wir das Nötigste wieder hergerichtet haben - das Liegenschaftsamt der Stadt hatte alles im Hinblick auf den Abriß verfallen lassen -, haben wir gleich damit begonnen, unsere Forderung nach einem selbstbestimmten Zentrum praktisch in die Hand zu nehmen.
Kurdische Genossen sind an uns herangetreten und haben hier eine Veranstaltung zum kurdischen Befreiungskampf durchgeführt. Mit Leuten aus den besetzten Häusern im Hamburger Hafen haben wir eine Diskussionsveranstaltung gemacht. Letztes Wochenende war hier in diesen Räumen eine Veranstaltung gegen das Apartheidregime in Südafrika, wo an die 80 Leute im Haus waren. Genauso ist es bei Discoabenden, die wir hier durchführen, oder bei unserem Nachbarschaftscafe und unseren Filmabenden. Diese ganzen Versuche ziehen immer mehr Leute an. Sie sind alle nur ein Anfang, unterstreichen aber schon jetzt die Berechtigung der Forderung nach einem selbstbestimmten Forum. (...)
Mit unseren Forderungen nach Erhalt des Hauses und nach einem Zentrum setzen sich GWG, Stadt und Exner nicht auseinander. Sie haben nicht einmal mit uns verhandelt. Daß der Ortsbeirat Westend eine Überprüfung des Bauvorhabens und der Erhaltungsfähigkeit der Häuser beantragt hat, ist ihnen egal. (...) Der Mobilisierung, die sich an unserem Haus entwickelt, setzen sie inzwischen nur noch Polizei entgegen. (...)
Zwei Dringlichkeitsanträge der Grünen in Sachen Haus wurden an diesem Tag in Windeseile abgelehnt. Kein Wunder: Exner fiel zu uns nur ein, bis zur nächsten Stadtverordnetensitzung sei das Haus sowieso abgerissen. Einer politischen Auseinandersetzung mit unseren Forderungen und den Interessen vieler Leute im Viertel kann er sich nicht stellen. Seine Aufgabe ist es, Wiesbaden für die Interessen der besser verdienenden Yuppies und des Kapitals auszubauen.
(...) Wir werden nicht freiwillig aus unserem Haus rausgehen, keinen Fußbreit für Exner und seine Sozialtechnokraten und Bonzenfreunde. (...) Selbst wenn sie räumen, werden sie weder die Probleme noch uns los.
BesetzerInnen des Hauses Günter-Sare-Straße 23 in Wiesbaden
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen