Was bedeutet linke Solidarität?

■ Grüne Wahlkampfhilfe für Nicaragua

Wer die grüne Wahlkampfhilfe für die nicaraguanische FSLN kritisiert, setzt sich ganz schnell der Kritik aus, er betätige sich als Handlanger der Contras und ihrer Hintermänner. Aber den Überlebenskampf der dortigen Regierung mit viel Sympathie zu verfolgen ist eines, Erfahrungen zu verdrängen ein anderes. Die linke Geschichte ist voll von Beispielen, wo revolutionäre Bewegungen und Regierungen zu mörderischen Regimen entartet sind. In zu vielen Fällen sind dabei die moralischen Grundsätze gutwilliger Soli-Freunde unter die blutigen Räder einer fernen Realpolitik geraten.

Der Mord an einer eigenen Genossin in den Reihen der salvadorianischen Befreiungsbewegung hat vor einigen Jahren das Problem von fehlender Distanz bedrückend verdeutlicht. Erst verdrängte die hiesige Solidaritätsbewegung den Fall, um sich schließlich eine abenteuerliche Rechtfertigung zusammenzubiegen. Daß man mit solch falschverstandener Solidarität vor allem politisches Kapital und moralische Legitimation in der Bundesrepublik verspielt, wird dabei vergessen. Den Grünen, die an andere Parteien hohe moralische Ansprüche stellen, kommt deswegen eine besondere Verantwortung zu.

Nicaragua ist keine Diktatur, und dennoch drängt sich die Frage auf, mit welcher Rechtfertigung die finanzielle Unterstützung von rechten Gewaltherrschern durch die Seidel und Adenauer-Stiftung noch gegeißelt werden kann, wenn nun die Grünen direkt eine regierende Partei unterstützen. Es hat in der Vergangenheit auch von seiten der Sandinisten Menschenrechtsverletzungen gegeben - dürfen wir uns den prompten Einwand zu eigen machen, das hätten die Bedingungen des Überlebenskampfes erzwungen? Welche Eigenständigkeit der solidarischen Kritik gibt eine grüne Partei auf, wenn sie sich mit dem sandinistischen Wahlprogramm identifiziert ihm sozusagen das linke TÜV-Siegel verpaßt?

Die Lehren aus den linken Irrtümern zu ziehen und Grundsätze einer Solidaritätspolitik zu formulieren, die Nähe und Distanz bedenkt, haben die Grünen verpaßt. Statt dessen hat man sich - gutwillig - vereinnahmen lassen, denn daß die nicaraguanische Regierung nach dem Ende der Kämpfe keine Wahlkampfschlacht finanzieren kann, ist kaum glaubhaft. Und übrigens: Entscheidend ist doch vor allem, ob die Politik der Sandinisten Rückhalt bei der Bevölkerung hat - das aber ist keine Frage der Finanzmittel.

Gerd Nowakowski