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Wallmann plündert Görings Sprüche

SPD, Grüne, FDP: empört über „Geschichtsklitterung“  ■  Aus Wiesbaden Michael Blum

„Es ist unglaublich: Ein Jahr nach dem Fall Jenninger zitiert der hessische Ministerpräsident Walter Wallmann während einer Plenarsitzung des Landtags einen der schlimmsten Nazikriegsverbrecher, Hermann Göring“ - so reagierte der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag, Joschka Fischer, auf eine Entgleisung des hessischen Ministerpräsidenten. Fischer verurteilte gestern in Wiesbaden gemeinsam mit dem SPD-Landesvorsitzenden Hans Eichel „Wallmanns Geschichtsklitterung“.

Der Anlaß zur gemeinsamen Empörung war eine Wallmann -Äußerung vom 12. Oktober, die inzwischen auch beim CDU -Koalitionspartner FDP für Ärger sorgte. Während der Debatte um den sogenannten Nationalhymnenerlaß des hessischen Kultusministers, nach dem im Unterricht mit allen drei Strophen des „Deutschlandlieds“ „vertraut gemacht“ werden soll, Fortsetzung auf Seite 2

hatte Wallmann (CDU) ausführlich aus dem Protokoll der Reichstagsdebatte vom 17. Mai 1933 zitiert: „Männer und Frauen - so heißt es jetzt weiter durch den damaligen Reichstagspräsidenten Göring -, wir kommen jetzt zur Abstimmung über diese Entschließung. Diejenigen Abgeordneten, die dieser Entschließung beitreten, bitte ich, sich zu erheben. Alle Mitglieder des Reichstags erheben sich. Die Versammlung singt das Deutschland

lied. Göring: Männer und Frauen, ich habe dem nichts mehr hinzuzusetzen. Die Welt hat gesehen, das deutsche Volk ist einig, wenn es sein Schicksal gilt.“

Mit diesem Zitat wollte Wallmann „beweisen, daß auch die SPD in schlimmster Zeit zu der Nationalhymne gestanden“ hätte. Fischer: „Wallmann unterschlägt dabei die tatsächlichen Umstände der Reichstagssitzung: Die verbliebenen SPD-Abgeordneten standen unter einer erpresserischen Morddrohung.“ Eine derart bewußt oder aus mangelnder Kenntnis heraus verkürztes und damit falsch wiedergegebenes und verharmlosendes Bild der gewaltsamen Ausschaltung des Reichtstages durch die Nazis könne nicht unwidersprochen bleiben. Denn: „Aus Opfern sollen Täter gemacht werden“, so Eichel.

Grüne und SPD forderten Wallmann auf, seine Äußerungen zu berichtigen. Der Landtag müßte zudem Wallmanns Äußerungen nachdrücklich mißbilligen. Der stellvertretende CDU -Landesvorsitzende, Innenminister Milde, wies den Antrag als „völlig unverständliche Aufregung“ zurück.

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