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Oskar Salas Vögel

 ■ SPECIAL-TIP

In der Fasanenstraße fing alles an: Dort befand sich 1930 die Hochschule für Musik, an der gerade ein Tonmedium auf seine Potentiale hin abgetastet werden sollte: Professor Georg Schünemann hatte eine Rundfunkversuchsstelle ins Leben gerufen. Da gab es keine Berührungsängste mit einem unklassisch-technischen Gebrauchsgegenstand, vielmehr waren Professoren und Studenten wie besessen darauf, neue moderne Tonwelten zu erschließen. Es war gewissermaßen eine futuristische Zeit, und die fiebrige Suche nach einer neuen Ästhetik der Tonkunst, wie sie schon Ferrucio Busoni leidenschaftlich gefordert hatte, beherrschte die Atmosphäre.

Der kleine Vortrupp unterm Dach der Hochschule bastelte, spielte, träumte und wurde schließlich fündig. Schünemann hatte den Kollegen Trautwein zu seinen Pianisten im weißen Kittel geladen, und dem gelang es, ein neues Instrument zu entwickeln: das Trautonium. Mit seiner Hilfe wurde Busonis Klage, die Entwicklung der Tonkust müsse an ihren bisherigen Musikinstrumenten scheitern, überholt. „Wir waren sprachlos, er selbst (Trautwein) natürlich auch. Er hatte sich das natürlich überlegt. Aber wenn's dann klappt, dann sagt man: Donnerwetter! Jetzt hatten wir ja Klangfarben, denn wenn man U spielt, dann klingt's eben U, U, U, U...“ Fast geht die Stimme mit dem Sprecher durch , Wortwahl ist ihm wurscht, Hauptsache, die unglaubliche Begeisterung kommt beim Hörer an. Und das tut sie! 59 Jahre nach diesem „Donnerwetter“ im Rundfunklabor hat der damals Beteiligte Oskar Sala nichts von der quirligen Freude der ersten Minute verloren.

Sala war eigentlich Konzertpianist und Kompositionsschüler bei Paul Hindemith, ging jedoch bald „fachfremd“ und ergründete mit unermüdlichem Spieltrieb die Variationsbreiten des neuen Instruments. Unter seiner „Fingerführung“ trat es den Siegeszug zur Funkausstellung über die Reichsrundfunkgesellschaft und schließlich in die Konzertsäle an. Sala studierte zehn Semester Physik, um auch wirklich einen Beitrag zur Weiterentwicklung der elektronischen Musik leisten zu können. Bald wurde das Gerät zu einem kleinen Tonstudio. Oskar Sala bekam feste Sendezeiten im Rundfunk und erregte nun öffentliches Aufsehen. Hier kommt der realistische Phantast Oskar Sala mit der Geschichte in Berührung, denn auch Propagandaminister Goebbels war beeindruckt. Nach einer Vorführung des Trautoniums im Ministerium versprach er volle Unterstützung und alle Freiräume zur Weiterentwicklung.

Sala blieb im Elfenbeinturm und machte weiter. Heute kommentiert er das so: „Das war eben so eine Art Glasperlenspiel. Man war eben drin in diesem Dings. Na ja, da hat man die Sendung gemacht, gespielt, alles Mögliche gemacht, und draußen herum tobte die Welt und tobte, nicht wahr? Ja, das gab's.“

Ursula Weck, Autorin und Regisseurin dieses Features, läßt Oskar Sala von sich sprechen, viele Seiten seiner Person selbst plastisch darstellen, vor allem darf er ausreden. Sie hört ihm zu, hört gut zu, und nie schwebt ein Fragenkatalog als Damoklesschwert über der Sendung. Sie schneidet die Stimmen mit ihren unterschiedlichen Qualitäten so zusammen, daß wir mit Spannung am Ball bleiben. Wenn Sala in selbstvergessener Begeisterung ruft: „Hör'n Sie mal: 'püüp, püüp‘, da ist der Ton!“, sind wir mitten drin im Studio, wo nicht nur irgendwelche Soundtracks, sondern hochkarätige akustische „Phantasieträger“ entstanden sind. Man ist überrascht von so viel Bekanntem: vor allem von Hitchcocks Die Vögel.

„Au, da sind sie ja noch: 'The birds‘...“ - Oskar Sala, der Meister des Trautoniums, kramt, sucht und findet in seinem Gedächtnis und seinem Tonarchiv: am 29. Oktober um 15.05 Uhr im SFB 3

GeHa

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