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Kid(s)napper-Romanze

■ WAA-Widerstand nach Mutters Art: Geissendörfers neueste Kino-Waffe „Bumerang Bumerang“

Vier Jahre danach ist Tschernobyl so gut wie entsorgt - auf dem Katastrophenfriedhof der Menschheitsgeschichte. Ebenso vergessen ist der gewaltige Kreativitätsschub, den der GAU provozierte: Man denke nur an die selbstgestrickten Anti -Atom-Gedichte, die seinerzeit die taz zierten. Bei einem Kinofilm gestaltet sich der Produktionsaufwand natürlich ungleich höher; aber man konnte sicher sein, daß er kommt.

Jetzt ist er da: Mit Bumerang Bumerang feiert Hans W. Geissendörfer nach langjähriger Abstinenz sein Kino -Comeback. In der Zwischenzeit hat er sich um die nachbarschaftlichen Verstrickungen von 42 Personen gekümmert, die eine Serie suchten (siehe Interview).

Locker, aktuell und höchst politisch soll es mit Geissendörfer jetzt auch im Kino werden: Eine jugendliche Liebe in Wackersdorf kann nicht von der (damals noch drohenden) Wiederaufbereitungsanlage verschont bleiben. So weit, so gut. Aber wenn Deutsche ans Werk gehen, tun sie das gründlich: Das Schicksal schlägt gleich doppelt zu.

So geht der 15jährigen Evi nicht nur am Bauzaun der Moped -Sprit aus. Der freundliche Autofahrer, der sie mitnimmt, entpuppt sich auch noch als Atom-Reindl, als einer von der verantwortlichen Polit-Mafia, mit Revolver im Handschuhfach. Mit eben diesem und mit Pits (Evis Lover) Hilfe wird Reindl kurzerhand entführt und fortan bei Evi in der Eigenheim -Badewanne als Geisel gehalten. Er soll eines Besseren belehrt werden, bloß wie, wissen die Kid(s)napper nicht. Schon glaubt man, sich in ein modernes Abenteuer von Edith Blytons Fünf Freunden verirrt zu haben, aber dann wird's sozialkritisch. Denn Pit, der Provinz-Autonome, wohnt in einer WeGe, ist arbeitslos und hatte eine schwere Kindheit. Er gerät in eine „Bullen-Razzia“, bei der ein Hund erschossen wird. Pit sagt: „Ihr Faschisten.“ Und schon sitzt er in einer Zelle.

Unterdessen nähert sich Badewannen-Reindls Freilassung, weil die Jung-Aktivisten einsehen müssen, daß sie sich einiges zuviel vorgenommen haben. Was gleichermaßen für den Film zutrifft: Die der Teenager-Liebe übergestülpte Polit -Action ist pure Konstruktion. Oder soll Bumerang Bumerang etwa ein Märchen sein? So jedenfalls stellt sich Klein-Erna eine Geiselnahme vor. Sie heißt aber nicht Erna, sondern Dorothee Schön, und hat zusammen mit Irene Fischer das Drehbuch geschrieben. Dorothee Schön kennt man spätestens seit dem nicht minder mißglückten Reinhard-Hauff -Film Blauäugig, auch dafür schrieb sie das Drehbuch. Offenbar profiliert sie sich unfreiwillig als Expertin für Plots, die sie nur vom Hörensagen kennt. Dabei macht sie gerade ihre eigene Betroffenheit geltend: Als Mutter eines kleinen Kindes sei sei von Tschernobyl besonders betroffen gewesen, wie auch ihre Co-Autorin. Vielleicht braucht es gar keine große Katastrophe, um den deutschen Film zu retten, sondern nur genügend junge Mütter, die auf Schwabings Spielplätzen zur Entfesselung ihrer kreativen Energie keine Strampelanzüge stricken, sondern Drehbücher.

Lutz Ehrlich

Hans W. Geissendörfer: „Bumerang Bumerang“, mit Katja Studt, Jürgen Vogel, Jan Plewka, Lambert Hamel, BRD 1989, 97 Minuten.

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