: Einigkeit und Rechts und weiter?
■ Die Grünen und ihre Deutschlandpolitiker
Die dramatische Entwicklung in der DDR hat auch die Grünen in Bedrängnis gebracht, mehr noch vielleicht als CDU, SPD und FDP, die jede auf ihre Weise in den Bahnen einer Kontinuität agieren. Paradoxerweise sind die Grünen in der Klemme, gerade weil sie mit den Parolen von Abrüstung und europäischer Friedensordnung ein so probates Marschgepäck zu haben schienen, auch gefeit waren gegen Wiedervereinigungsromantik. Nun zeigt sich, daß diesen Gedanken eine statische Weltsicht zugrunde lag, die eines ausgeklammerte: daß sich in der DDR etwas ändern könnte. Ein Zweites kommt hinzu: Wo die Vorgänge in der DDR neue Antworten verlangen, müssen die Grünen erst einmal die sperrigen Reste linker Sozialisation bewältigen. Da ist einmal die eingeübte Abwehrrhetorik gegenüber deutschtümelnden Kalte-Kriegsparolen, bei der die DDR zu verteidigen war gegen einen erneut raublustigen deutschen Imperialismus. Im Schließfach des linken Unterbewußtseins blieb auch die Vorstellung, die Teilung sei die gerechte Strafe für die deutschen Verbrechen.
Dies alles hat einen unentschiedenen Umgang mit der DDR hervorgebracht. Auf die anfängliche Phase von ausschließlich auf Basisgruppen orientierten Kontakten folgte eine Konzentration auf die DDR-Führung. Im stolzen Gefühl, als Politiker akzeptiert zu werden, ließ man sich skandalöse Ausschließlichkeitsbedingungen diktieren und „vergaß“ zum Beispiel bei Besuchen die Nachfrage nach politischen Gefangenen, nur um das Klima nicht zu stören. Seitdem es drüben rund geht, drängelt man sich wieder bei der Opposition auf dem Ostberliner Sofa.
Von überlegter Politik ist deshalb wenig zu spüren; man darf schon froh sein, daß im Parteivorstand diskutierter Aktionismus nicht zur Anwendung kommt. Das gleiche Bild in der Fraktion: Es gibt nahezu soviele Meinungen wie Abgeordnete. Bei so vielen Deutschlandpolitikern, die allesamt am Beginn ihrer Lehrzeit stehen, bleibt das bange Gefühl, diese Partei werde angesichts der Umwälzung zu mehr als deklamatorischer Politik kaum fähig sein. Aber möglicherweise kann sich die Opposition alleine auch viel besser helfen.
Gerd Nowakowski
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