: Kaderschulung „an der Garderobe abgeben“
Der mögliche massenhafte Parteieintritt enttäuschter DKP-Mitglieder bei den Grünen sorgt dort für Unruhe / Udo Knapp: „20 Jahre eingeübter demokratischer Sozialismus muß man erst einmal aus den Knochen kriegen“ / Ausgeprägte Furcht vor Apparatekultur ■ Von Gerd Nowakowski
Auch wenn es am vergangenen Wochenende im Rahmen des Frankfurter Erneuererkongresses noch nicht zu der von vielen Beobachtern erwarteten und hinter vorgehaltener Hand angekündigten demonstrativen Austrittsbewegung aus der DKP gekommen ist - die Frage nach einer neuen politischen Heimat für die frustrierten DKPler stellt sich dennoch. Daß vor allem die grüne Partei der Ort eines neuen politischen Wirkens werden könnte, wurde in Frankfurt in vielen Gesprächen deutlich. Ob die Dissidenten eine Bereicherung für die Grünen werden könnten, darüber gehen in der Partei freilich die Meinungen weit auseinander. Insbesondere die Aussage der langjährigen hauptamtlichen DKP-Funktionärin Vera Achenbach, man suche beim Eintritt in die Grünen nach „eigenen Zusammenhängen, in denen sie die Erneuerung des Marxismus betreiben können“ (taz vom 23.10.), hat für Unruhe gesorgt.
Hammerbacher: Restriktionen vorstellbar
„Wenn organisierte Eintritte stattfinden sollten, mit einem so formulierten Ziel, dann werden wir als Partei darauf restriktiv reagieren müssen“, erklärte Vorstandssprecherin Ruth Hammerbacher, die darauf verweist, die Grünen hätten sich doch gerade aus der Abgrenzung zu traditionellen Sozialismustheorien entwickelt: „Das paßt nicht zum Profil der Grünen.“ Wenn ehemalige DKPler sich aber hinter die Ziele ihrer Partei stellen könnten, sähe sie keine Hindernisse für eine Zusammenarbeit, auch unabhängig davon, welchen innerparteilichen Strömungen sich diese Neu-Grünen zugesellten, antwortete Frau Hammerbacher auf die Frage, ob sie erwarte, die ehemaligen DKPler würden möglicherweise den linken Flügel der Partei stärken.
Er könne sich „neue Impulse“ und einen „Gewinn“ für die Grünen vorstellen, wenn die Eintritte auf einer „sehr selbstkritischen Reflexion bisheriger Grundauffassungen“ basieren, erklärte Grünenvorstandssprecher und Mitglied des undogmatischen „Linken Forums“, Jürgen Reents. Es könne nicht darum gehen, in den Grünen „eine neue Heimat für alte Vorstellungen zu finden“. Er wisse nicht, was Frau Achenbach unter marxistischer Erneuerung verstehe, doch fänden sich in der Grünenprogrammatik „sehr wohl Elemente aus der marxistischen Theorie“, die in der Partei fruchtbar seien.
Sorge vor einer Unterwanderung durch die Exkader habe er nicht, doch Reents äußerte sich zugleich skeptisch, wie „weit bei einigen ihr neues Nachdenken“ gehe. Reents vermutet in bezug auf das Strömungsgefüge der Grünen, daß sich die Neuen vornehmlich beim Linken Forum und bei den Realos sammelten; bei letzteren deshalb, weil die DKP „traditionell auf das Bündnis mit der SPD orientiert ist“.
„Keine Recyclinganlage für ideologischen Schrott“
Ausgesprochen skeptisch äußert sich Udo Knapp, Mitarbeiter der Bundestagsfraktion der Grünen und einer der Wortführer der Realos, zu den möglichen neuen Mitgliedern. Man dürfe „nicht vergessen, was die in den letzten 20 Jahren mitgemacht haben“. Noch vor kurzem habe die DKP den Einmarsch in Prag legitimiert und das Blutbad in China sowie den Anti-AKW-Widerstand „lächerlich gemacht und bekämpft“. Vor diesem Hintergrund dürften die Grünen keinesfalls zur „Recyclinganlage für ideologischen Schrott“ werden, fügte Knapp hinzu. „20 Jahre eingeübter demokratischer Zentralismus muß man erst einmal aus den Knochen kriegen.“ Knapp wertete die Achenbach-Position als „Kampfansage“, bei der die Partei „wie ein neuer Anzug für andere politische Interessen benutzt werde. Wer der Meinung ist, eine sozialistische oder marxistische Partei habe in der Bundesrepublik eine Perspektive, der solle sie gründen und nicht zu den Grünen kommen“, sagte Udo Knapp. Und wer, wie Frau Achenbach, die Grünen als Übergangsprojekt zum Sozialismus begreife, verkenne die inhaltliche Ausrichtung der Partei. Die Grünen seien „kein Instrument zur Durchsetzung sozialistischer Ideen“, es gehe vielmehr um die Verbindung einer ökologischen Wende mit einer demokratischen Perspektive. „Wir sind gerade gegen Staatsfixierung und autoritäre Beglückung von oben, wie sie bei diesen sozialistischen Positionen am Ende immer die entscheidende Rolle spielen. Deswegen möchte ich nicht, daß die zu uns kommen und eine beendete Dis kussion wieder neu aufnehmen.“ Einen „Unvereinbarkeitsbeschluß“ lehnte Knapp aber als „absurd“ ab.
„Ich finde es gut, wenn sie kommen, aber ich habe keine übertriebenen Erwartungen, daß sie den linken Flügel stärken“, äußerte Vorstandssprecherin Verena Krieger. Gegen eine Stärkung der Linken spreche schon ihre „unkritische Unterwerfung“ unter die SPD. Darin unterschieden sich die Erneuerer nicht von den „DKP-Stalinisten“. Eine Stärkung des Realolagers erscheine ihr deshalb am wahrscheinlichsten. Ein „Übernahmeprojekt“ sei für sie „völlig unrealistisch“, dazu seien die Ex-DKPler auch zahlenmäßig überhaupt nicht in der Lage.
„Sie sollten als
einzelne kommen“
Sie „begrüßt es grundsätzlich immer, wenn die Grünen neue Mitglieder bekommen“, doch „sie sollten als einzelne kommen“, sagte die Sprecherin der Bundestagsfraktion und führende Vertreterin des „Grünen Aufbruchs“, Antje Vollmer. „Mit einer Übernahme würden die sich übernehmen“, wies sie entsprechende Befürchtungen aus der Partei zurück. Eine Eintrittsbedingung wäre freilich, daß „die ihre jahrelange Schulung im demokratischen Zentralismus an der Garderobe abgeben müßten“, was nicht einfach sein werde. „Die Perspektive der Grünen ist schon eine radikale, linke Position. Die ist aber keineswegs identisch mit irgendwelchen Erinnerungen an die Partei Lenins“, sagte Frau Vollmer. Sie habe „Sorge vor allzu 'apparaterfahrenen‘ Menschen„; insbesondere weil es eine von ihr kritisierte Entwicklung der Grünen zu einem festgefügten Parteienapparat beschleunigen könnte.
Nicht so sehr die Stärkung einzelner Strömungen beunruhige sie, sondern die Möglichkeit, daß die „angelernte Apparatekultur“ den „inneren Stil“ der Partei prägen könnte. Da sie für wechselnde Mehrheiten in der Partei sei, halte sie es für „bedenklich, wenn sich zu starke Gruppenloyalitäten durchsetzen“ würden.
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