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Go for the Gold!

Wie bei den Leichtathleten bereits jetzt für die Olympischen Spiele 1992 in Barcelona selektiert wird  ■  PRESS-SCHLAG

Die Empörung unter den bundesdeutschen Leichtathleten ist derzeit riesengroß. Ab dem nächsten Jahr erhalten einige Aktive weniger, andere überhaupt kein Geld mehr. Das neue Konzept zur Sporthilfe-Förderung des Deutschen Leichtathletikverbandes (DLV) trägt die Schuld an diesem finanziellen Dilemma der Hochleistungssportler.

Waren es bis dato 200 Aktive, die als förderungswürdig eingestuft wurden, werden es 1990 nur noch gut 60 Sportler sein, die in den Genuß der Grundförderung der Sporthilfe kommen. Wer bis zum 31.Oktober den neuen Leistungsmaßstäben des DLV nicht Genüge getan hat, guckt in die Röhre. Lediglich vier Leichtathleten haben bis heute die Normen der ersten Kategorie erfüllen können und streichen sich auch im nächsten Jahr der beginnenden Olympiavorbereitung 1.000 DM ein. Der Rest wird sich mit 750/500/400 DM begnügen müssen.

Daß diese Tatsachen am Ende der langen Saison bei den Athleten nicht gerade Freudensprünge auslösen, liegt auf der Hand. Fatal hingegen ist an der Lage der nicht mehr geförderten Sportler die Tatsache der völligen Rechtlosigkeit: Gegenüber der Sporthilfe können keine juristischen Ansprüche geltend gemacht werden, sie entzieht sich überhaupt jeder Kontrolle durch die Sportler. Selbst wenn die Aktiven jahrelang ihre Ausbildung oder ihr Studium hintenan gestellt haben, wie die Sporthilfe das von ihnen wenn auch indirekt - verlangt, die Unterstützung wird bei Formtiefs gestrichen. Viele Sportler stehen plötzlich vor dem Nichts.

Doch so neu sind die Fälle in der Leichtathletik nun auch wieder nicht, wie ein Blick in die Geschichte der Sporthilfe zeigt. Das „Sozialwerk des deutschen Sports“ (Willi Daume) ging 1968 aus der Initiative von W.Daume und J.Neckermann hervor. Seitdem nimmt es die zentrale Stellung im BRD -Leistungssport ein. Vorausgegangen waren „Waterloos“ bei den Olympischen Spielen 1964 und 1968. Und '72 standen die Spiele in München vor der Tür, erstmals mit einem Team aus der DDR. Wollte man im Medaillenspiegel nicht hinter diesem Erzfeind landen („Versagen wir in München, werfen die Leute mit Steinen“, so Neckermann), mußte etwas auf dem Sektor Leistungssport geschehen.

So entstand die Sporthilfe, ein Zusammenschluß von Staat, Sport und Wirtschaft. Allerdings mußten sich in dieser konzertierten Aktion Staat und Wirtschaft zurückhalten, da der Schein einer Selbständigkeit des Sports gewahrt werden mußte. Dem sozialistischen „Staatsamateur“ sollte der freie Sportler entgegengesetzt werden, wenn möglich erfolgreicher. Entscheidend für den „freien Sportler“ bleibt aber eines: das gute Resultat. Bringt er es nicht, fliegt er aus der Förderung. Und wie immer im Vorfeld von großen Sportereignissen (Olympia '92 in Barcelona) wird ein Ruf laut: Das Sieb muß her!

Seit nunmehr zwanzig Jahren werden so alle Sportler aus der Förderung gestrichen, denen man keine Chance mehr einräumt, ein Siegertreppchen zu erklimmen. Eben eine solche „Flurbereinigung“ findet derzeit im Deutschen Leichtathletikverband statt. Mit der ständigen Steigerung von Leistungsnormen wollen die Funktionäre bloß nicht den Verdacht aufkommen lassen, die Sporthilfe sei eine Sportlerpension für abgehalfterte Altstars oder junge Aktive, die lieber in der Disco das Bein schwingen.

Die Sportler sind diesen Direktiven geradezu hilflos ausgesetzt und ergeben sich zumeist ohne Widerspruch der Abspeisung, denn die Leistungsprinzipien der Sporthilfe sind längst internalisiert worden. Anstatt aufzumucken, wie einige wenige es jetzt im DLV tun, gibt man sich lieber einem Mammuttraining bis an den Rand des physischen Zusammenbruchs hin, um die Normen zu erfüllen. Doping macht dieses Ziel im übrigen schneller erreichbar.

Torsten Haselbauer

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