: Oppositionsmitglieder bei SED
■ Ostberliner SED-Bezirkschef trifft Mitglieder des Neuen Forums/ Kohl telephoniert mit Krenz/ Weitere Intensivierung des Dialogs in Dresden und Ost-Berlin/ Warnende Töne aus dem Berliner Polizeipräsidium
Berlin (dpa/ap/taz) - In Ost-Berlin ist gestern erstmals ein hochrangiger SED-Politiker mit einem Vertreter des Neuen Forums zusammengetroffen. Mit einem Telephongespräch zwischen Generalsekretär Krenz und Bundeskanzler Kohl kam es nach dem DDR-Besuch von FDP-Fraktionschef Michnik zu einer erneuten Wiederbelebung der deutsch-deutschen Kontakte. Während der Dresdner SED-Chef Modrow einen weiteren Massendialog organisierte, warnte der Ostberliner Polizeipräsident mit dem Verweis auf angebliche Gewalttätigkeiten vor weiteren Demonstrationen. Dennoch kam es am Mittwoch abend erstmals auch im Norden der Republik zu spontanen Massenkundgebungen. Inzwischen wurden weitere Reformforderungen der DDR-Rechtsanwälte und des Journalistenverbandes veröffentlicht.
Der Ostberliner SED-Chef Günter Schabowski hat am Donnerstag in Ost-Berlin eine zweistündige Unterredung mit den Mitbegründern der Demokratiebewegung „Neues Forum“ Jens Reich und Sebastian Pflugbeil geführt. Reich sagte anschließend, er habe den Eindruck, Schabowski vertrete eine „neue Politik“. Auf die Frage, ob es zwischen der Opposition und der DDR-Führung einen echten Dialog geben könne, sagte Jens Reich: „Wir werden sehen. Aber ich kann mit Vorsicht sagen, daß ich einen positiven Eindruck habe.“ Die Anerkennung des Neuen Forums sei bei dem Treffen ebenfalls angesprochen worden, doch habe sich Günter Schabowski in dieser Frage für nicht zuständig erklärt. Bundeskanzler Kohl hat gestern morgen ein zwanzigminütiges Telephongespräch mit Egon Krenz geführt. Dabei sei die Fortentwicklung der innerdeutschen Beziehungen vereinbart worden. Während Krenz erneut die Respektierung der DDR-Staatsbürgerschaft ansprach, favorisierte Kohl für zukünftige Gespräche diejenigen Themen, über die man sich gemeinsam einigen könne. Ein Zeitpunkt für ein Treffen Kohl-Krenz ist weiter offen. Unterdessen ging auch gestern die Dialogoffensive der SED weiter. In Dresden wurden sogenannte Foren in mehreren hundert öffentlichen Räumen abgehalten. Für Sonntag ist in Ost-Berlin ähnliches unter Mitwirkung hoher Partei- und Verbandsfunktionäre geplant. Während es am Mittwoch abend u.a. in Neubrandenburg, Jena und Ost-Berlin zu Massenprotesten gekommen war, reagierte der Ostberliner Polizeipräsident mit scharfen Vorwürfen. Er machte bei den Demonstrationen einen „harten, militanten Kern“ aus und betonte: „Dialog ja, aber nicht mehr auf der Straße.“ Zur Beruhigung der Situation hatte am Mittwoch abend auch der Ostberliner Bischof Forck aufgerufen.
Inzwischen gibt es weitere Reformforderungen: Die DDR -Rechtsanwälte fordern in einer Erklärung die Überarbeitung des politischen Strafrechts und des Polizeirechts. Der Journalistenverband forderte ein Mediengesetz, das den Verfassungsgrundsatz der Pressefreiheit verbindlich regele.
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