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Hocke nimmt sein Handtuch

■ Umstrittener UNO-Hochkommissar für Flüchtlinge nach lang bekannter, meist intern geäußerter Kritik an Führungsstil und Mißmanagement zurückgetreten / Mit Flüchtlingsgeld Luxus-Tickets bezahlt

Genf (taz) - Der UNO-Hochkommissar für Flüchtlinge, der Schweizer Jean Pierre Hocke, ist am Mittwoch mit sofortiger Wirkung zurückgetreten. In einem Brief an UNO -Generalsekretär Perez de Cuellar begründete Hocke seinen Schritt mit einer „seit zwei Jahren“ gegen ihn gerichtete „anonymen Kampagne“. Der Ende 1986 vor allem auf Betreiben der USA zum Flüchtlingshochkommissar ernannte ehemalige Leiter der Operationsabteilung beim Internationalen Komitee des Roten Kreuzes war in der Genfer UNO-Behörde seit langem heftig umstritten. Unabhängige Flüchtlingshilfeorganisationen warfen ihm vor, zu wenig für den Schutz von Flüchtlingen zu tun und sich gegenüber der Regierung zu leisetreterisch zu verhalten. Zu einem ersten öffentlichen Skandal kam es, als Hocke im Januar 1988 entgegen dem Rat seiner engsten Mitarbeiter 138.000 Exemplare der Monatszeitschrift 'Refugees‘ vor der Auslieferung vernichten ließ, weil ihm eine kritische Titelgeschichte über die Asylpolitik der BRD nicht paßte. Daraufhin kündigten MitarbeiterInnen.

In einem von zahlreichen MitarbeiterInnen verfaßten, allerdings nicht namentlich gezeichneten Schreiben wurden Hocke im Herbst 1988 autoritärer Führungsstil, Mißmanagement und einsame Entscheidungen vorgeworfen. Dennoch wurde Hocke im Dezember für drei weitere Jahre wiedergewählt. Im Mai offenbarte er ein Defizit von über 60 Millionen bei einem laufenden Haushalt von 430 Millionen US-Dollar. Hocke wurde zwar anläßlich der Sitzung des Exekutivausschusses die Hauptschuld für das existenzbedrohende Defizit der UNO angelastet, der Vorwurf jedoch nicht konkret belegt. Der Exekutivausschuß beschloß Mitte Oktober strikte Finanzkontrollen für das Haushaltsjahr 1990 sowie die Einsetzung eines permanenten Hocke-Kontrollausschusses.

Die öffentliche Diskussion wurde bestimmt durch den vom Schweizer Fernsehen konkret belegten Vorwurf, daß Hocke aus einem UNHCR-Fonds Erste-Klasse-Flugtickets für sich und seine Frau bezahlt hat. Perez De Cuellar ordnete eine Untersuchung an. Offensichtlich wollte Hocke dem negativen Untersuchungsergebnis zuvorkommen.

Andreas Zumach

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