Ortega kündigt Ende des Waffenstillstands an

Nicaraguas Staatschef sorgte für Aufregung beim gesamtamerikanischen Gipfel in Costa Rica / US-Präsident Bush erging sich in peinlichen Geschmacklosigkeiten / Lateinamerikanische Kaffeeproduzenten einigen sich über Konferenz über Förderquoten  ■  Aus San Jose Ralf Leonhard

Der „Amerikagipfel“ in Costa Rica endete als Volksfest im Zentrum von San Jose, wo Präsident Arias am Samstag den Platz der Demokratie einweihte.

Das erste kontinentale Treffen dieser Größenordnung seit der Konferenz von Punta del Este vor 22 Jahren hinterläßt wenig greifbare Ergebnisse. Präsident Bush hatte sein Kommen davon abhängig gemacht, daß keinerlei Erklärung unterzeichnet würde; er hätte seinen Namen unter kein Dokument gesetzt, das auch vom sandinistischen Regierungschef unterschrieben werde. Daniel Ortega, dessen Einladung als gewählter Staatschef Bush nicht verhindern konnte, bezeichnete der US- Präsident in einer Pressekonferenz als „ungebetenes Tier auf einer Gartenparty“. Ortega sorgte für die einzige Sensation, als er nach dem Gipfeltreffen eröffnete, daß er die einseitige Waffenruhe im Krieg gegen die Contra nicht verlängern würde. Ortega, der als einziger Staatschef in Uniform erschienen war, um zu demonstrieren, daß der Krieg in seinem Land noch nicht zu Ende ist, beschuldigte die Contra, die kommenden Wahlen sabotieren zu wollen.

Am 22. Oktober hatten Konterrevolutionäre eine Gruppe von Reservisten überfallen, die unterwegs war, sich ins Wahlregister einzutragen. 19 in der Reservearmee mobilisierte Campesinos wurden dabei getötet. „Wir werden verhindern, daß sich die Komplizen und Mitarbeiter der Sandinisten einschreiben“, heißt es in einem vom ehemaligen Somoza-Oberst Enrique Bermudez unterzeichneten Kommunique der Contra, das in San Jose verteilt wurde und in dem der Oberkommandierende die Kandidatur der Oppositionskandidatin Violeta Chamorro unterstützt. Die sandinistische Regierung hatte den Verzicht auf Offensivaktionen seit April 1988 Monat für Monat verlängert. Laut Ortega sind aber in diesen 18 Monaten mehr als 700 Personen in Zusammenstößen mit Contra-Gruppen getötet und über tausend verschleppt worden. Den genauen Zeitpunkt eines Wiederbeginns des offenen Krieges will Ortega erst am Dienstag in Managua bekanntgeben. Nach inoffiziellen Informationen wird aber im Norden Nicaraguas, wo in den letzten Monaten mehr als 2.000 Contra wiedereingesickert sind, eine Großoffensive vorbereitet. „Die Sache ist jedoch nicht unrettbar“, hielt sich Ortega eine Hintertür offen, „wenn der Kongreß in Washington die humanitäre Contra-Hilfe für die Demobilisierung der Contra umwidmet.“ Diese Möglichkeit ist zwar im Beschluß des Repräsentantenhauses vorgesehen, aber bisher nicht ernsthaft diskutiert worden.

Unmittelbar nach seiner Rückkehr nach Nicaragua sagte Ortega im Rundfunk, die Präsidenten von Venezuela und Costa Rica seien bereit, Gespräche zwischen ihm und Bush über eine weitere Verlängerung der Waffenruhe zu vermitteln. Ortega war bereits vor dem Abschlußspektakel abgereist, wohl weil er sich beleidigt fühlen mußte, als einziger Staatschef mit Oppositionsführern konfrontiert zu werden, die als Ehrengäste zum Gipfeltreffen geladen waren. George Bush, Carlos Menem und Alfredo Cristiani frühstückten am Samstag mit Violeta Chamorro, deren Wahlkampf von den USA mit mehreren Millionen Dollar finanziert wird. Auch dabei waren die panamaischen Oppositionsführer Guillermo Endara und Ricardo Arias als einzige Vertreter ihres Landes. Das Problem Panama wurde zwar von mehreren Staatschefs angeschnitten, doch konnte Bush nicht den beabsichtigten Bruch aller lateinamerikanischen Staaten mit dem Noriega Regime erreichen.

Das einzig greifbare Ergebnis des Supergipfels von 17 Staats- und Regierungschefs war eine prinzipielle Einigung der Kaffeeproduzenten, zur Exportquotenregelung zurückzukehren. Seit der Suspendierung des Kaffeeabkommens vor wenigen Monaten ist der Weltmarktpreis um fast 50 Prozent abgesackt. Dadurch entstehen den lateinamerikanischen Ländern Verluste von rund 2,5 Milliarden Dollar. So war es denn auch die Schuldenkrise, die die zwölf Präsidenten und fünf Premierminister am meisten beschäftigte. Erwartungsgemäß kam es aber zu keiner gemeinsamen Position der Schuldnerländer. „Bis auf weiteres muß jedes Land für sich eine Lösung suchen“, erklärte Argentiniens Präsident Carlos Menem nach der Konferenz. Gastgeber Oscar Arias hatte am Morgen bei der Begrüßung von US-Präsident Bush eröffnet, daß seine Regierung in Verhandlungen mit den Gläubigerbanken einen Schuldennachlaß um eine Milliarde Dollar erreicht hat. Diese Summe entspricht fast einem Viertel der costa-ricanischen Verschuldung. Daß jedoch der Brady-Plan, der nur einen teilweisen Schuldennachlaß von Land zu Land vorsieht, das Problem der Überschuldung der Dritten Welt nicht vom Tisch schafft, ist auch für den kanadischen Premier Brian Mulroney klar. „Die Vorteile der Demokratie müssen manchmal für junge Leute fragwürdig sein“, meinte er, „wenn sie vor der Perspektive stehen, ein Leben lang die Schulden an eine Finanzinstitution in einem entfernten Industrieland abzutragen.“ Laut Mulroney haben die Entwicklungsländer insgesamt im letzten Jahr an Zinsen und Schuldentilgung 50 Mrd. Dollar mehr an die Industrienationen gezahlt, als sie frisches Geld bekommen haben.

Einer der Stars in der illustren Runde war zweifellos der kolumbianische Staatschef Virgilio Barco, dessen Krieg gegen die Drogenmafia allenthalben mit heftigem Applaus honoriert wurde. Wenn jemand die Ovationen der Bevölkerung nicht verdient hat, so ist es US- Präsident Bush. Schließlich hat dessen Regierung Costa Rica jahrelang gezwungen, den nicaraguanischen Contra Unterschlupf und logistische Unterstützung zu gewähren und hat das Land an den Rand eines Krieges mit Nicaragua gebracht. Ein im Oktober 1984 in der 'Washington Post‘ veröffentlichtes geheimes Strategiepapier beweist, daß Provokationen geplant waren. Bush ist auch nicht der Berufenste, gerade in Costa Rica von den Amtskollegen mehr Entschlossenheit bei der Drogenbekämpfung zu fordern. Schließlich durften die hier stationierten Contra mit dem Segen Washingtons Kokain und Marihuana verschieben. Der Tower-Report über die Iran-Contra-Affäre gibt darüber reichlich Aufschluß.