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Ehrlichkeit schützt

Zur Drogen- und Jugendpolitik von Anne Klein  ■ K O M M E N T A R

Anne Klein hatte zwei Arten von Kritikern: zum einen die Nadelstreifen-Fraktion aus älteren Herren aus rechten Parteien und Medien, die mit der feministischen Frau an sich nicht zurecht kommen; zum anderen aus der linken Ecke, wo man Klein als die Speerspitze einer weiblichen und Staatsknete-Selbstbedienungslobby kritisierte, deren Horizont nicht über die Enge der Frauenszene hinausreiche.

Die Nadelstreifen-Herren werden nun erst recht aufheulen, ebenso scheinheilig wie vorprogrammiert. Die fachliche Kritiker der Jugendsenatorin Klein dagegen müssen umdenken. Nach jahrelanger Broschürenpolitik, nach idiotischem Beharren auf polizeilichen Drogenlösungen, Sonntagsreden und eher frustrierender Therapieplätzepolitik im nachhinein, setzt die Senatorin nun zumindest Zeichen des Staates für einen neuen Ansatz - im Interesse der Jugendlichen . Und gleichzeitig noch zaghaft auch ein Signal gegen die Verlogenheit. Wie will man Jugendlichen eigentlich erklären, warum sich Vater, Mutter, Verwandte, Nachbarn - und sie selbst - sich völlig legal zu Tode saufen dürfen, während schon ein paar Gramm des in allen Schichten salonfähigen Haschischs Polizeiaktionen auslösen. Hinter der Idee steckt jedoch noch mehr. Der moralinsauer bis animierende Abschreckungszeigefinger weicht einer intelligenteren Ehrlichkeit. Erfolgversprechender geht sie davon aus, daß ein Großteil der Jugendlichen gar nicht mehr ohne Kontakt zu Suchtmitteln aufwachsen kann. Aufklärung muß zwangsläufig auch an dem Zeitpunkt ansetzen, an dem erste Bekanntschaft mit Drogen bereits besteht. Dann kann man nämlich das Märchen vom sofortigen Suchtausbruch und ähnlichen Horror nicht mehr an die kiffenden Kids bringen, ohne ausgelacht zu werden - und damit zugleich alle Glaubwürdigkeit zu verlieren. Nächster Schritt nach Kleins neuer Offensive muß in der Tat die Legalisierungsinitiative in Bonn sein. Überlegungen über offenen, geordneten Kleinmengenverkauf weicher Drogen wie in den Niederlanden müssen folgen. Denn die größte Gefahr droht den Kids von der kriminellen internationalen Dealermafia, in deren Arme staatliche Scheinheiligkeit sie seit Jahren getrieben hat.

Thomas Kuppinger

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