piwik no script img

Jetzt doch Hochzeit von SDR und SWF?

■ McKinsey-Gutachten votiert für Fusion / SDR fürchtet Schwächung des Medienstandortes Stuttgart Kosteneinsparungen geringer als erwartet

Stuttgart (ap) - Die Diskussion um die Neuordnung der Rundfunklandschaft im Südwesten hat mittlerweile über 20 Jahre auf dem Buckel. Und doch ist der medienpolitische Dauerbrenner so aktuell wie nie zuvor. Ende vergangener Woche hat nämlich die Unternehmensberatungsfirma McKinsey ein mit Spannung erwartetes Gutachten vorgelegt. Die Wirtschaftsexperten durchleuchten darin die finanziellen Aspekte der Frage, ob der Süddeutsche Rundfunk (SDR) in Stuttgart und der Südwestfunk (SWF) in Baden-Baden angesichts des zunehmenden Konkurrenzdrucks durch private Anbieter fusionieren und damit ihre Selbständigkeit aufgeben sollen oder ob eine engere Kooperation denselben Zweck erfüllen könnte.

Die Empfehlung fiel ebenso knapp wie eindeutig aus. Nur beim Zusammenschluß zu einem schlagkräftigen Großsender seien SDR und SWF auf Dauer wettbewerbsfähig, heißt es in der 58seitigen Untersuchung, die von einem über 200 Seiten starken Anhang ergänzt wird. Der Status quo, ein bundespolitisches Kuriosum und Überbleibsel aus der Nachkriegszeit, das die Sendegebiete entlang der Autobahn Ulm-Stuttgart willkürlich trennt, sei unhaltbar. Dagegen könnte ein neuer „Südwestdeutscher Rundfunk“ mit rund 4.000 Beschäftigten und einem Jahresetat von 1,3 Milliarden Mark innerhalb der ARD-Anstalten auf den zweiten Platz nach dem Westdeutschen Rundfunk (WDR) in Köln vorrücken.

Stuttgarts Ministerpräsident Lothar Späth, der die Studie zusammen mit seinem Mainzer Kollegen Carl-Ludwig Wagner in Auftrag gegeben hatte, kann sich angesichts dieser Aussagen zufrieden die Hände reiben. Denn die seit Jahren von dem CDU -Politiker favorisierte Fusionslösung wurde von den Wirtschaftberatern mit durchaus beeindruckenden Zahlen untermauert. Gut zehn Prozent oder 100 Millionen Mark jährlich könnten bei einem formalen Zusammenschluß beider Anstalten durch die Ausräumung der heute bestehenden Doppelgleisigkeiten gespart werden. Das wäre doppelt so viel wie bei einer einfachen Kooperationslösung. Und: Durch die Freisetzung interner Ressourcen könnten weitaus mehr neue Aufgaben realisiert werden als bisher.

Die Gremien von Südfunk und Südwestfunk haben bis Ende November Zeit, ihre Stellungnahmen zu der McKinsey-Studie vorzulegen. Erst danach soll in Stuttgart und Mainz die endgültige politische Entscheidung fallen. Gegenwärtig scheint freilich fraglich, ob das Gutachten die Bedenken der zahlreichen Fusionsgegner zerstreuen kann, die in den beiden Funkhäusern ebenso sitzen wie im Stuttgarter Landtag und in den Journalistenverbänden. Beim SDR, der einer Kooperationslösung nicht abgeneigt ist, stört man sich vor allem daran, daß die Generalintendanz des neuen Senders in Baden-Baden angesiedelt werden soll. Die Schwächung des Medienstandorts Stuttgart sei für sein Haus die „Grundsatzfrage“, meinte der künftige SDR-Intendant Hermann Fünfgeld.

Vor allem beim Hörfunk weichen die McKinsey-Vorschläge von Angebot und Struktur des bisherigen Programms ab. Den Gutachtern schwebt unter anderem vor, die heutigen Programme SWF 2 und SDR 2 durch einen zentralen Kulturkanal aus Baden -Baden zu ersetzen und die jetzigen beiden dritten Programme durch ein gemeinsames Pop-Programm aus Baden-Baden abzulösen. Beim Fernsehen soll Stuttgart die Verantwortung für Fernseh- und Spielfilm, Unterhaltung und Vorabendprogramm an Baden-Baden abgeben, im Gegenzug dafür allerdings Sitz der Chefredaktion sowie der Bereiche Information, Aktuelles, Wissenschaft und Sport werden.

Während Carl-Ludwig Wagner im Landtag von Rheinland-Pfalz kaum auf Schwierigkeiten treffen dürfte, weil der Standort der Landeshauptstadt Mainz in sämtlichen Bereichen aufgewertet würde, muß Lothar Späth im Stuttgarter Parlament mit heftigem Widerstand auch aus den eigenen Reihen rechnen. Zahlreiche CDU-Abgeordnete wollen es nicht so einfach hinnehmen, daß die rundfunkpolitische Bedeutung der baden -württembergischen Landeshauptstadt auf eine Art besseres Außenstudio reduziert wird. Auch SPD-Fraktionschef Dieter Spöri kündigte bereits den entschiedenen Widerstand seiner Partei an und sprach von einem „Gefälligkeitsgutachten“.

Die Fusionsgegner halten den Gutachtern vor allem entgegen, daß die von ihnen ausgewiesenen Kosteneinsparungen nicht mit 100 Millionen Mark, sondern bestenfalls mit 80 Millionen zu Buche schlagen würden. Die im Fall eines formalen Zusammenschlusses notwendige Angleichung der tariflichen Einkommensstrukturen beider Sender würde nämlich allein 20 Millionen Mark pro Jahr verschlingen. Und damit bliebe gegenüber einer Kooperationslösung lediglich ein Einspareffekt von 30 Millionen Mark.

Nicht quantifiziert sind bislang zudem die Kosten, die bei einer Fusion durch den Umzug von rund 300 Mitarbeitern von Stuttgart nach Baden-Baden anfallen würden. Auch über den Aufwand, der erforderlich wäre, um die laut McKinsey innerhalb von drei bis sieben Jahren umzusetzenden Maßnahmen zu finanzieren, gibt es keine Berechnung. Und schließlich haben die Gutachter selbst ausdrücklich darauf hingewiesen, daß es mit dem Zusammenschluß allein nicht getan sei. Um die Wettbewerbsposition des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Südwesten für die Zukunft abzusichern, seien vielmehr Investitionen in Millionenhöhe nötig.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen