: Neu war nur die Neue
■ S T A N D B I L D
(Tatort, 29.10., 20.15 Uhr, ARD) Das Neue an dem neuen Tatort war wirklich nur „die Neue“. Frisch von der Polizeischule mit offensichtlich ausgezeichneten Zensuren platzt die neue Kommissarin in das altgedientes Team mit dem üblichen strengen Vorgesetzten und der altbewährten Mitarbeiterin, „die Fichte“, die natürlich nur Erfahrung und gesunden Menschenverstand vorweisen kann. Die Neue ist ihr vor die Nase gesetzt worden, der Konflikt ist vorprogrammiert: die Neue muß sich erst mal durchsetzen. Ihr erster Fall, eine Vergewaltigung, gibt ihr dann auch reichlich Gelegenheit, mit den Kenntnissen aus der Polizeischule zu glänzen. Mit Theorien über sexuelle Perversionen, denn nur darum kann es ja bekanntlich bei Vergewaltigungen gehen, kann sie prächtig protzen, lateinische Fachausdrücke, die selbst in der Abteilung für Sittendelikte außer ihr vermutlich niemand versteht, sprudeln nur so aus ihr raus. Da kann auch die erfahrene Mutter der Kompanie nur schweigen und hinterhältig mit intimen Kenntnissen über „ihre Jungs“ dagegenhalten, auf die die Neue letztlich ja doch angewiesen sein würde.
Ein Triebtäter wird also gesucht. Aus der Kartei lassen sich Gottseidank nur drei aussieben (Sendezeit!), die infrage kommen. Darüber hinaus wird auch erst gar nicht mehr ermittelt. Dann werden fleißig Alibis gesammelt und schlampig überprüft, frau arbeitet ja viel lieber intuitiv. Und selbstverständlich rücken zunächst mal nur zwei der drei Verdächtigen in den Mittelpunkt der Tätersuche, so daß der geübte Zuschauer nach kurzer Zeit weiß: es muß der dritte sein, der sich dazu auch noch so willig einer Sexualtherapie unterzieht, die eher an Elektroschock-Folter erinnert denn an Psychotherapie.
Unterdessen zeigt die Neue ihre mütterlichen Seiten. Rührend kümmert sie sich um das Opfer der ersten Vergewaltigung - die zweite endet tödlich - , nimmt das merkwürdig coole Mädchen in ihrer Wohnung auf und läßt sie in ihrem Bett schlafen. Die Kommissarin ist in erster Linie eben doch Frau.
Der eine Hauptverdächtige ist ein armes Schwein, der von seiner Frau, ein richtiges Biest, rausgeschmissen wird. Der andere, der die Kommissarin natürlich duzen darf, erweist sich zu allem Übel auch noch als therapieresistent (sehr verdächtig) und säuft. Bleibt der nette Junge, über den in der Therapiestunde vergewaltigte Frauen wie Hyänen herfallen dürfen, „von oben bis unten bist du kaputt“. Jetzt ist endlich dem Blödesten klar, er muß es sein! Er wird es immer wieder sein nach dieser Therapie. Wer bis dahin nicht eingeschlafen ist, hat die Lektion begriffen. Triebtäter sind nicht zu therapieren, und übrigens so schon gar nicht.
Barbara Geier
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