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Märtyrer oder Kriminelle?

Über die Ambivalenz der bundesdeutschen Linken zum PKK-Prozeß in Düsseldorf  ■ K O M M E N T A R E

Seit einer Woche wird im Düsseldorfer Oberlandesgericht im „größten Terrorismusprozeß der Bundesrepublik“ (Rebmann) verhandelt. Angeklagt sind 18 kurdische Männer und Frauen, eine terroristische Vereinigung gegründet zu haben, die unter anderem Morde in der Bundesrepublik und im Libanon begangen haben soll.

Auf den ersten Blick weckt das Verfahren eine Reihe von Assoziationen zu Stammheim, eine Analogie, die auch von der Verteidigung zuweilen herangezogen wird. Mit einem entscheidenden Unterschied allerdings: In Stammheim wurde über einen Ausschnitt bundesdeutscher Geschichte verhandelt, lieferte die bundesdeutsche Justiz ihren fatalen Beitrag zur politischen Kultur dieses Landes. In Düsseldorf geht es um etwas anderes: Angeklagt ist eine kurdischen Partei, die im Guerillakrieg für die Unabhängigkeit „ihres Landes“ kämpft. Die Übereinstimmung der Diktion des türkischen Regimes und der Bundesanwaltschaft ist augenfällig, und die skandalöse Durchführung des Prozesses tut ein übriges, um der PKK ihre Argumentation zu erleichtern: Die BRD macht sich zur Speerspitze des Nato-Imperialismus, um dem kurdischen Befreiungskampf in den Rücken zu fallen. Die Bundesanwaltschaft hat damit alles getan, um Märtyrer zu schaffen.

Warum, wenn die Lage doch so klar scheint, gibt es in der bundesdeutschen Linken keine breite Solidaritätskampagne mit den kurdischen „Befreiungskämpfern“? Der wesentliche Grund ist, daß die Politik der PKK bislang nicht dazu angetan war, internationalistische Identifikationen in der Hoffnung auf eine gesellschaftliche Utopie zu fördern. Anders als im Verhältnis zu mittelamerikanischen Befreiungsbewegungen, gab es in der Bundesrepublik konkrete Erfahrungen im Umgang mit der PKK, die die Distanz erklären. Wer einmal mit Vertretern der PKK in einem Komitee zur Vorbereitung einer Demonstration war, erlebt hat, mit welchem apodiktischen Führungsanspruch die „Avantgarde des kurdischen Volkes“ (so PKK-Chef Abdullah Öcalan) bei diesen Gelegenheiten auftritt, verzichtet in aller Regel auf einen zweiten Versuch der Zusammenarbeit.

Nicht zuletzt wird in Düsseldorf nicht über Angriffe der PKK auf türkische Militäreinrichtungen verhandelt, sondern über fünf ermordete Kurden, die entweder aus der PKK ausgestiegen waren oder anderen kurdischen Organisationen angehörten. Für die bundesdeutsche Linke kann es deshalb nicht nur darum gehen, den Rebmannschen Repressionsapparat anzuklagen. Eine Befreiungsbewegung, die hierzulande Solidarität einklagt, muß sich neben der Frage nach ihren Zielen auch der Kritik ihrer Methoden stellen. Zu einer solchen Diskussion aber war die PKK in der Vergangenheit nie bereit. Wenn sie darauf besteht, daß eine Befreiungsbewegung auch in Westeuropa nach ihrer eigenen Gesetzmäßigkeit handelt, wird sich an dieser Distanz nichts ändern.

Das hat nichts mit einer Vorverurteilung der Angeklagten zu tun. Daß der Paragraph 129a einer Gesinnungsjustiz Tür und Tor öffnet und zu einem fairen Ermittlungsverfahren zur Vorbereitung einer Mordanklage denkbar ungeeignet ist, steht außer Frage. Ob in Düsseldorf tatsächlich geklärt werden kann, ob eine oder einer der 18 Angeklagten mit den Morden etwas zu tun hat, ist deshalb eher zweifelhaft. Das eigentliche Dilemma bleibt jedoch bestehen: Die berechtigte Kritik an dem Prozeß darf nicht dazu führen, daß über ermordete Ex-PKKler großzügig hinweggegangen wird.

Jürgen Gottschlich

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