: Neu im Kino:
■ „Housekeeping“ von Bill Forsyth
Das kleine Städtchen Fingerbone in den Rocky Mountains hat eine melancholische, naßkalte Schönheit, und die Kindheit der Schwestern Ruth und Lucille war schon seltsam, bevor ihre Tante auftauchte. Ihr Großvater und ihre Mutter starben in dem unheimlichen, tiefen See des Ortes und als die Großmutter mit ihnen in dem abgelegenen Holzhaus wohnte, war der Zeitungsjunge ihr einziger Bekannter mit weniger als sechzig Jahren auf dem Buckel.
Erst Tante Sylvie, mit ihrem ganz eigenen Lebenstil, der so gar nicht zu den Konventionen des ordentlichen amerikanischen Haushalts paßt, ist die exzentrische und geheimnisvolle Hauptperson des Films.
In Bill Forsyths erstem nicht in Schottland gedrehten Film gibt es Männer nur am Rande der Leinwand. Behutsam zeigt er uns die zwei Schwestern und die Tante, die das Haus langsam mit alten Zeitungen und leeren Blechdosen vollstopft, stundenlang vor sich hinstarrt oder lange Ausflüge auf den See hinaus macht. Der Regisseur kriecht ihnen dabei aber nicht auf den Pelz, und der Zuschauer wird nicht aufdringlich eingeladen, sich zu identifizieren.
Aber diese Distanz ist nie kühl, Forsyth läßt den Dreien nur ihre Freiheit. Auch wenn Lucille sich von ihrer Schwester und Tante löst, um „normal, wie alle anderen zu sein“ und dabei nur immer blasser und langweiliger wird, urteilt der Film nur indirekt: er folgt Ruth und Sylvie, die sich immer ähnlicher werden und wie Schwestern miteinander umgehen. Sylvie und die Spießer des Städtchens werden nicht lächerlich gemacht, sie bleiben zurück.
Sylvie ist zugleich eine Verrückte und die Verkörperung der Freiheit. Ihre Stimmung - wie Depression ohne Depressionen; eine ständige Verträumtheit, in dem sie durch nichts gestört werden kann - gibt dem Film eine eigentümlich schwebende Atmosphäre. Und wie in „Local Hero“ inszeniert Forsyth auch wieder die Landschaft so, daß die Außenaufnahmen der Berge, des dunklen Sees und des von Bäumen umringten Hauses die Grundstimmung illustrieren und verstärken. Christine Lathi, die die Tante Sylvie so sanft und eigenbrötlerisch spielt, nannte den Film „a celebration of nonconformity“ und nach den 116 Kinominuten habe ich mich gefragt, ob ich nicht viel zu normal bin. Wilfried Hippen
Cinema, Mi./Do. und Mo.-Mi. 18.30 Uhr
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