: ÖPNV 2000: Bremer kommen immer besser an
■ Linie 2 wird schneller, Linie 6 länger, Linie 4 neu / Stadtteilbeiräte im Prinzip dafür, aber ...
„Bremer kommen immer gut an“, die Frage ist nur, wo und wann. Bremens Busse und Bahnen sollen in den nächsten Jahren schneller, weiter, zuverlässiger, attraktiver, behindertenfreundlicher, moderner und teurer werden. In drei Schritten, so haben sich Straßenbahn-AG und Senat geeinigt, wird der ÖPNV bis in die Mitte der 90er Jahre ausgebaut.
Schritt 1 und - sofern die Bürgerschaft die notwendigen Mittel von rund 20 Millionen Mark im nächsten Haushalt bewilligt - im nächsten Jahr vollziehbar besteht einerseits aus Pinsel und Farbe und zweitens aus einer „fußgängerzonenähnlichen“ Gestaltung von Ostertorsteinweg und Steintor. Von Gröpelingen bis Sebaldsbrück sollen Straßenbauer im nächsten Jahr weiße Striche rund um die Gleise der Linie 2 malen und Autos so aus dem Straßenbahnverkehr ziehen. Statt bislang zwei Fahrspuren auf allen Heerstraßen stehen PKWs dann nur noch je eine pro Fahrtrichtung zur Verfügung. Im Viertel sollen Ostertorsteinweg und Vor dem Steintor ganz für den „motorisierten Individualverkehr“ (MIV) dicht gemacht werden. Wer zwischen Gröpelingen und Sebaldsbrück öffentlich nahverkehrt, kann dafür in Zukunft morgens 10 Minuten länger im Bett bleiben, ehe er in die zur „Stadtbahn“ aufgewertete Linie 2 einsteigt.
Im nächsten Schritt sollen etwa ab 1992 die Straßenmalereien wieder verschwinden und einer eigenen, hochgepflasterten Straßenbahntrasse weichen. Gleichzeitig soll die Linie 6 nicht nur schneller, sondern vor allem auch länger werden. Statt an der Endstation Friedhof zu landen, soll man mit der 6 bis zu Universität und Technologiepark fahren können. Drei Jahre Bauzeit sind für die neue Strecke veranschlagt. Start möglichst 1992.
Schließlich soll die arithmetische Lücke im Bremer Straßenbahnnentz zwischen 3 und 5 und die geographische zwischen Schwachhausen und Borgfeld geschlossen werden. Ca. ab 1997 soll hier die neue Linie 4 fahren. 60% der rund 110 Millionen Kosten wird der Bund übernehmen, bis zu 13 Millionen lassen sich jährlich in Bonner Töpfen zur Verbesserung des ÖPNV absahnen, wenn Bremen dafür acht ausgibt.
Hinzu kommen Investitionen für neue Niederflur -Straßenbahnen. Ein Prototyp soll im nächsten Jahr probefahren, ab 1993 will die BSAG die neuen Bahnen auf allen Linien einsetzen. Trotzdem, so rechnet die BSAG vor, lohnen sich die Investitionen, nicht nur, um die seit langem geforderte Fahrpreiserhöhungen durchzusetzen. Durch Umsteiger vom Privat-PKW auf die Bahn und den Verzicht auf teure Busse lassen sich durch den Neubau der Linie 4 bis vier Millionen Mark pro Jahr einsparen.
Als „überraschend positiv“ und „sehr ermutigend“ wertete Senats-ÖPNV-Koordinator Hans Jürgen-Kahrs gestern die Reaktion der Stadtteilbeiräte auf die Senatspläne. Gemeinsam mit BSAG-Vorstandsmitglied Hubert Resch ist Kahrs in den letzten Wochen durch nahezu sämtliche Stadtteile (nur Osterholz-Tenever steht beiden noch bevor) getingelt, um die Werbetrommel für das Senatskonzept zu rühren. Langwierige Verwaltungsgerichtsprozesse mit Anliegern und -wohnern sollten so überflüssig, realistische Verbesserungsvorschläge rechtzeitig aufgenommen werden. Allerdings, so räumte Kahrs gestern in einer Bilanz seiner Beiratsrundreise ein, stecke der „Teufel oft im Detail“. Bei aller grundsätzlichen Zustimmung zur Grundsatzparole „Vorfahrt für den ÖPNV“, sei das Gesamtkonzept im Einzelfall sicher nur mit „einer gewissen Rigidität“ durchzusetzen. Kahrs: „Es gibt auch Leute, die von uns die Quadratur des Kreises verlangen und uns einen Rucksack aufbürden wollen, der uns in die Knie zwingt.“
Schlechte Noten bekamen die ÖPNV-Planer z.B. in Bremen -Nord. Das ÖPNV-Konzept komme erstens zu spät, zu halbherzig und vor allem nach Bremen-Nord überhaupt nicht, hatten die Beiräte Burglesum, Vegesack und Blumenthal kritisiert. Ärger steht Kahrs auch im Viertel noch ins Haus, wo mehrere Anwohner-Initiativen zwar sehr damit einverstanden sind, daß Autos aus Stein-und Ostertor verschwinden sollen, allerdings gar nichts von Ausgleichs-Parkmöglichkeiten in zwei oder drei zentralen, „sehr moderaten“ (Kahrs) Parkhäusern halten. Auf der anderen Seite drohen Anlieger-Geschäftsleute mit Klagen gegen ihre „Zwangsversetzung in eine Fußgängerzone“. Zumindest in der Bremer Innenstadt kann - wer unbedingt will - laut ÖPNV-Konzept auch im nächsten Jahrtausend noch per Privat-PKW einkaufen. „Während andere Großstädte überlegen, ihre Innenstadt völlig dicht zu machen, werden sie eine solche Forderung bei uns vergebens suchen“, vermeldete BSAG Vorstandsmitglied Peters gestern stolz.
K.S.
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