: Radio Bremen im 40-Millionen-Loch
■ Trotz Gebührenerhöhung droht Sender Riesendefizit / Fernseh-Werbeinnahmen halbiert / Direktorium spart per Klingelbeutel
Wenn die Dauer der Direktoriumssitzungen bei Radio Bremen proportional zum Ernst der Lage zunähme, wäre letztere vermutlich hoffnungslos: Seit zwei Tagen tagen die Dame Karola Sommerey (Hörfunk-Programmdirektorin) und die drei Herren Klostermeier (Intendant), Hoffmann (Fernsehchef) und Dany (Verwaltungsdirektor) in Klausur und ununterbrochen. Ihre Aufgabe: Die Pleite des Senders, wo möglich, zu verhindern und stattdessen herauszubekommen, wo man in den nächsten Jahren entweder rund 50 Millionen zusätzlich herkriegen, hilfsweise einsparen kann. Die Drohung eines Defizits in dieser Größenordnung haben die Finanzplaner des Senders nämlich bis 1992 ausgemacht. Bis zum kommenden Montag erwartet der Personalrat ein Konzept seiner obersten Dienstherren und - damen, mit dem sich auch im nächsten Jahrzehnt alle RB-Arbeitsplätze sichern, die Fernsehanstalt retten, vier Hörfunkprogramme erhalten und die „festen freien“ Mitarbeiter weiterbeschäftigen lassen. Auf einer Personalversammlung soll das Direktorium dann seine Lösungsmodelle vorstellen.
Bislang scheint das Direkto
rium von solchen kühnen Konzepten noch weit entfernt: Trotz erhöhter Rundfunkgebühren, die ab 1990 jährlich rund 10 zusätzliche Millionen in die RB-Kassen fließen lassen, droht dem Sender schon im nächsten Jahr ein kräftiges Minus. Grund: Allein der Ausfall von Werbeeinnahmen dank privater (RTL und SAT1) und öffentlich-rechtlicher (ZDF) Konkurrenz frißt die Gebührenerhöhung wieder auf. Um rund 40 Prozent hat die Werbekundschaft ihre Spot-Buchungen rund um die Vorabend-Damen vom Grill und Falcon-Crest-Intrigen reduziert. So richtig beliebt als attraktives Umfeld von Ariel phosphatfrei und Melitta-Topits ist nur noch Buten & Binnen. Dabei: Bislang verdiente RB sein Geld zu einem Drittel durch Werbeeinnahmen. Wenig tröstlich für die Rundfunkmacher: Mit ihren sinkenden Werbeeinnahmen liegen sie bestens im allgemeinen ARD-Abwärtstrend. 100-Millionen -Verluste drohen allein der größten ARD-Anstalt, dem WDR.
Wie bei RB aus dem 150-Millionen-Jahresetat im nächsten Jahr noch die fälligen Tariferhöhungen für die 650 Mitarbeiter und die ständig steigenden Kostenanteile für ARD -Gemein
schaftsproduktionen von Bundesligabildern bis zur fernsehgerechten Boris-Becker-Aufbereitung zu finanzieren sind, weiß im Augenblick niemand. Sicher ist nur: Die Einnahmen werden kaum zu steigern sein, die nächste Gebührenerhöhung kommt zwar bestimmt, aber frühstens 1992, also zu spät, und das Geschäft auf dem Werbemarkt wird auch höchstens härter und ohnehin mit ungleichen Bandagen ausgetragen.
Geeinigt hat sich das Direktorium bislang lediglich, alle vier Hörfunkprogramme irgendwie,
aber auf jeden Fall aufrechtzu erhalten und im nächsten Jahr insgesamt zwei Millionen einzusparen. Nur wie und wie beides zusammenpaßt, ist allen Beteiligten bislang noch ein Rätsel. 1,5 „überflüssige“ Millionen soll allein Fernseh-Programmdirektor Hoffmann in seinem Ressort ausfindig machen, beschloß das Direktorium kürzlich in entschuldigter Abwesenheit des Fernsehchefs. Sparquoten im Gesamtwert von 500.000 Mark will auch Hörfunk -Chefin Sommerey ihren Redaktionen verordnen. Wer wo
wie wieviel einsparen soll, ist den meisten Redakteuren bislang allerdings schleierhaft. Auch Personalrat und Redakteursausschuß haben den regelmäßigen Direktoriumsgang mit dem Klingelbeutel inzwischen satt. Denn selbst wenn sich die selbstgesetzten Sparziele einhalten ließen: Ein Konzept gegen das absehbar weiter wachsende Riesen-Haushaltsloch sind sie nicht. Bei Redaktionsschluß waren alle vier Direktoriumsmitglieder noch auf der Suche danach und deshalb nicht zu stören.
K.S.
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