: „Kleine Fische“: Frauen, Faschismus, Frieden
■ Gesellschaftspolitische Forschung bleibt für Bonn ein Stiefkind: die Wissenschaftssenatorin kann nur auf Sparflamme Akzente für eine neue studentennähere Forschung setzen / Riedmüller: „Kein Anlaß für einen neuen Uni-Streik“
Berlin als Forschungsstandort sorgte in den letzten Wochen häufig für Schlagzeilen. Der Forschungsausschuß der CDU/CSU -Fraktion im Bundestag hatte einen Vorstoß gegen die rot -grüne Wissenschaftspolitik gestartet: Berlin sollten nach Meinung der Experten die Zuschüsse für weitere institutionelle Forschungsvorhaben gekürzt werden, da die Politik erkennbar forschungsfeindlich sei. Nach heftigen Briefwechseln und Stellungsnahmen lenkte die Union letzte Woche ein. Der Senat habe nun bewiesen, daß er sich durchaus um die Forschung bemühe, so war aus Bonn zu vernehmen. Die Debatte nahmen wir zum Anlaß, ein Interview mit Wissenschaftssenatorin Riedmüller über ihre Politik zu führen.
taz: Frau Riedmüller, wie steht es um den Forschungsstandort Berlin?
Riedmüller: Es gab ja eine sehr breite forschungspolitische Debatte, ausgelöst durch den Vorstoß des Forschungsausschusses im Bundestag. Ich war jetzt dort und habe zu den Vorwürfen Stellung bezogen, auch zu dem Rundumschlag gegen rot-grüne Wissenschaftspolitik. Manche Vorwürfe gehen soweit zu behaupten, daß Wissenschaftler wegen Rot-Grün die Stadt verlassen. Wenn man jenseits aller Polemik auf den Kern der Sache kommt, ist wohl in einzelnen Forschungsinstitutionen durch Rot-Grün einige Irritation entstanden, weil man einfach nicht wußte, was passieren wird, wenn wir uns beispielsweise die An-Institute (selbständige, mit Unis kooperierende Institute, d. Red.) kritisch ansehen, wenn wir bestimmte technologiepolitische Überlegungen anstellen. Und natürlich gab es einige spektakuläre Überlegungen wie die Auflösung der Akademie der Wissenschaften, die die Verunsicherung nach einem Regierungswechsel stärker gemacht haben als sonst. Das erklärt die ganze Sache aber nicht, erklärbar ist sie nur dadurch, daß wir in der Tat versuchen, neue Akzente zu setzen.
Worin liegen denn diese neuen Akzente, was wird sich ändern in der Berliner Forschungslandschaft?
Gemessen an großen Bund-Länder-Finanzierungen sind das nur kleine Fische, aber wir finden es wichtig. Denn sie haben zum einen symbolische Signalwirkung, zum anderen verändern sie das forschungspolitische Klima in der Stadt. Ich habe ein Gutachten in Auftrag gegeben zum Stand der Friedensforschung in Berlin. Wir haben den Universitäten Mittel gegeben, die in Richtung Umweltforschung und Frauenforschung eingesetzt werden sollen. Und wir wollen die Faschismusforschung an der FU Berlin stärken, die doch in einigen Bereichen erheblich zu wünschen übrig läßt. Es liegt jetzt ein Vorgutachten vor, und es gibt Überlegungen, am Zentralinstitut für sozialwissenschaftliche Forschung einen derartigen Bereich aufzubauen.
Das sind vereinzelte Überlegungen, gibt es eine Strategie dahinter?
Insgesamt ist für mich sehr wichtig, die universitäre Forschung zu stärken. Wir haben dafür einen Ansatz, nicht den, den ich am liebsten gehabt hätte - ich sage es ganz offen, ich hätte gerne die gesamten 63 Millionen, die ich zusätzlich im Haushalt bekommen habe, dafür verwendet. Das kann ich bei der Belastungssituation im Bereich der Lehre natürlich nicht machen, aber ich befürchte, daß unsere Studenten immer weniger mit Forschung konfrontiert werden. Also mehr Geld für universitäre Forschung. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von interessanten Instituten in Berlin, die wieder stärker an die Universität gebunden werden sollten.
Gibt es schon konkrete Planungen für derartige Verknüpfungen?
Ja, wir überlegen zum Beispiel, eine Art Sommeruniversität für Forschung zu veranstalten. Das heißt, daß in bestehenden Projekten, Institutionen oder Sonderforschungsbereichen Studenten mitarbeiten können und so Zugang zur Forschung erhalten. Ich finde das in allen Fächern ganz wichtig.
Wie sehen Sie die Stimmung an Hochschulen. Glauben Sie, daß es wieder eine Streikbewegung geben könnte wie im letzten Winter - letzte Woche ist immerhin in Dahlem eine Villa der FU besetzt worden.
Ich sehe keinen Anlaß für eine erneute Streikbewegung. Ich war damals Vizepräsidentin der FU und kenne die Anlässe. Es war ein ganzes Bündel von sozialen Faktoren, von Hintergrundereignissen und der Unzufriedenheit über die Lehrsitutation, die zusammenkamen und heute nicht mehr so gegeben sind.
An der Lehrsituation hat sich aber doch nicht viel geändert.
Wir haben eine Menge gemacht. Ich habe ganz schnell das Tutorenprogramm verwirklicht, allein da habe ich im Nachtragshaushalt vier Millionen Mark zur Verfügung gestellt, und das ist auch gut angelaufen. Wir konnten die Verbesserungen an der Lehrsituation nicht so schnell umsetzen, wie ich es mir gewünscht hätte. Wir lassen uns regelmäßig von den Universitäten Bericht erstatten, und die Umsetzung der zusätzlichen Mittel aus dem Haushalt geht zügig vonstatten, aber es ist nicht genug.
Frau Riedmüller, Sie haben sich vorgenommen, das Berliner Hochschulgesetz zu novellieren und dazu auch schon ein umstrittenes Papier vorgelegt. Wird es in der vorgesehenen Form novelliert und, wie geplant, in diesem Jahr?
Ich habe ein Papier vorgelegt, in dem mögliche Wege aufgezeigt sind, aber auch Grenzen. Ich habe versucht, deutlich zu machen, welche Möglichkeiten innerhalb dieser engen Grenzen - die im übrigen nicht von mir, sondern durch das Hochschulrahmengesetz gesetzt worden sind - bestehen. Ein Beispiel ist das Mitbestimmungsmodell, bei dem ich eine gewisse Vorliebe für das viertelparitätische habe, weil es mir aus den Erfahrungen des Wintersemensters heraus relativ plausibel erscheint. Mittlerweile liegen alle Stellungnahmen vor, so daß jetzt der Gesetzestext auf jeden Fall noch in diesem Jahr erarbeitet werden und dann in die parlamentarische Beratung gehen kann.
Befürchten Sie Auseinandersetzungen mit dem Koalitionspartner?
Nein, ich glaube nicht, daß es größere Auseinandersetzungen mit dem Koalitionspartner geben wird, sondern im Parlament mit den Vertretern der Opposition. Erst muß die SPD sich mit der AL einigen, dann wird die Gesetzesvorlage in die Ausschüsse gehen. Es werden unter Umständen eine ganze Reihe von Anhörungen stattfinden, so daß ich unmöglich sagen kann, wie lange die ganze Angelegenheit dauern wird.
Interview: Kordula Doerfler
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