: Notstand ohne Not?
■ „Schreyer setzt die schlechte Giftmüllpraxis fort“ / Interview mit Wolfgang Tietze, dem Müllexperten der AL
Wolfgang Tietze, AL-Mitglied und Müllexperte, gehörte bis vor kurzem der von Umweltsenatorin Schreyer eingesetzten „Steuerungsgruppe Abfall“ an.
taz: Du hast Kritik an dem Schreyer-Gutachten zur Lage der Sondermüllentsorgung in Berlin. Wie sieht diese Kritik im Einzelnen aus?
Tietze: Der Bericht bleibt unkonkret. Er verzichtet darauf, klipp und klar bestimmte Umweltschäden zu benennen, die in Vorketzin mit Sicherheit bereits eingetreten sind. Außerdem fehlt eine Bewertung der einzelnen Sonderabfallarten nach ihrer Giftigkeit. Charakteristisch ist auch, daß es dem rot -grünen Senat innerhalb eines halben Jahres noch nicht gelungen ist festzustellen, wohin die privaten Entsorgungsfirmen ihren Sondermüll bringen. Ein Bericht muß das klipp und klar aufzeigen. Der Senat hat eine Genehmigungspflicht für die Entsorgung. Da muß er doch wissen, wohin das Zeug geht.
Hatte der Senat wirklich genug Zeit, das festzustellen? Der Gutachter selbst beklagt die katastrophale Personalsituation.
Es liegt einerseits an der Koalitionsvereinbarung. Man hat es damals versäumt, die Umweltverwaltung mit entsprechendem Personal auszustatten. Zweitens hätte man die Möglichkeit gehabt, die Planung auf dem Sondermüllsektor von Anfang an einem unabhängigen Ingenieurbüro zu übertragen. Stattdessen ist die Umweltsenatorin dabei, die Politik ihrer Vorgänger fortzusetzen: Obwohl jeder weiß, daß die Deponie Vorketzin für flüssigen Sondermüll nicht geeignet ist, hat Schreyer noch bis Ende des Jahres die Mülltransporte in die DDR genehmigt. Diese Frist muß sie, wie es jetzt aussieht, sogar noch verlängern. Denn die Sondermüllverbrennungsanlage Schöneiche ist offenbar absolut funktionsuntauglich.
Aber wo soll der Senat den Sondermüll denn loswerden?
Im Bundesgebiet hätte man Kapazitäten finden können, da bin ich mir sicher. Es gibt außerdem die Möglichkeit, mobile Tankanlagen einzusetzen. Die hätte kann man sehr schnell verfügbar machen können, um zu verhindern, daß zumindest die besonders gefährlichen, flüssigen Sonderabfälle in Vorketzin weiterhin Schaden anrichten werden.
Interview: hmt
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