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Kritik an Subventionen und Wirtschafts-Dirigismus

■ DDR-Wirtschaftsexperten werden offensiv / Kombinatschef will Wehrersatzdienst in der Produktion / Westimporte könnten wirkungsvoller eingesetzt werden

Berlin (dpa) - Mit der heutigen „tatsächlichen produktiven Arbeitszeit“ in der DDR kann der Lebensstandard westlicher Industrieländer nicht erreicht werden. „Das Leistungsprinzip ist gründlich verbogen.“ Auf diesen Nenner brachte der Generaldirektor des Werkzeugmaschinenkombinates „7.Oktober“, Heinz Warzecha (SED), in einem Gespräch mit der Ost -'Berliner Zeitung‘ vom Mittwoch eine harte Abrechnung mit der DDR-Wirtschaftspolitik. Wenn ein DDR-Bürger das Angebot in westdeutschen Warenhäusern sehe, so kompensiere er es nicht dadurch, daß etwa seine Kinder eine gesicherte Berufsausbildung hätten. „Was hier bleibt, ist ein Gewicht auf der Waagschale zuungunsten des Sozialismus.“

Scharfe Kritik übte der Generaldirektor an Entscheidungen, die in den Ministerien über die Kombinate hinweg getroffen würden. „Hunderte von Millionen Valutamark hätten nach meiner Meinung viel viel wirkungsvoller eingesetzt werden können.“ Das betreffe auch die vor wenigen Tagen geschlossenen zusätzlichen Importe technischer Konsumgüter und Lebensmittel. Zudem regte er an, daß die vielen gut ausgebildeten jungen Leute nicht zu den bewaffneten Organen eingezogen, sondern als Wehrersatzdienst im Dreischichtenbetrieb in der mechanischen Fertigung eingesetzt werden könnten. Den Vorwurf einer vielfach falschen Forschungs-und Investitionspolitik in der DDR haben auch der Direktor des Instituts für chemische Technologie der Akademie der Wissenschaften, Prof.Gerhard Keil, und sein Stellvertreter, Prof.Gutmann, erhoben. Aufgrund der seit vielen Jahren niedrigen Akkumulationsrate der Industrie bestehe ein Trend zu billigen Lösungen, äußerten sie am Mittwoch gegenüber 'adn‘. Aber relativ rasch zu realisierende billige Lösungen könnten, über einen längeren Zeitraum, die teuersten sein. Wenn über die „zweite Lohntüte“ - billige Tarife, Mieten, gestützte Preise „reale volkswirtschaftliche Aufwendungen verschleiert und die Verschwendung von Energie, Wasser und anderen Ressourcen gefördert wird“, dann werde an dem Ast gesägt, auf dem man sitze. Dann fehlten die Mittel für eine höhere Akkumulation, die schnellere Umsetzung auch langfristig optimaler Lösungen.

Und SED-Politbüromitglied Günter Schabowski hat sich für eine Kürzung der umfangreichen Subventionen ausgesprochen. In einem Interview der 'Wirtschaftswoche‘ sagte er: „Subventionen sind für mich keine heilige Kuh. Ich habe mal versucht, in Berlin dahinterzukommen, was wir so alles subventionieren, und festgestellt: Wir subventionieren sogar Blumen und Taxifahrten. Pro eine Mark Taxigebühr gibt der Staat jedem eine Mark dazu. Das ist ein unmöglicher Zustand.“

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