: „Argumente - und nicht die Handkante“
Gespräch mit den Falken-Kreisvorstandsmitgliedern Thorsten Puhst (Wedding) und Frank Folger (Neukölln) ■ I N T E R V I E W
taz: Müssen die Falken in Neukölln oder Wedding jetzt Karate lernen?
Thorsten: Also, ich denke, eigentlich Nein. Denn die Stärke der Falken und die Waffen der Falken sind immer noch das Wort und das Argument - und nicht die Handkanten.
Sehen das die Jugendlichen, die bei euch mitarbeiten, auch so oder gärt es da?
Thorsten: An Aufrüsten denkt im Moment noch keiner, aber natürlich an Schützen, denn das, was wir in der Vergangenheit erlebt haben, da müssen wir schon davon ausgehen, daß wir da noch nicht am Ende der Entwicklung sind und noch weitere Angriffe zu erwarten haben. Das macht uns natürlich schon Kopfzerbrechen.
Welche Rolle spielt für euch die Polizei. Reagiert die ausreichend?
Frank: Ich denke, das ist individuell abhängig von den einzelnen Polizisten und das ist schon eigentlich ein schlechtes Zeichen, denn ich erwarte von der Polizei als Institution natürlich insgesamt, daß sie wissen müßte, wen sie zu schützen und gegen wen sie vorzugehen hat. Da denke ich mir, der Apparat insgesamt ist oft zu träge, oft zu oberflächlich oder auch zu naiv den Leuten gegenüber.
Thorsten: Ich meine aber, daß man schon gerade beim Staatsschutz 'ne Veränderung bemerken kann. Am Anfang war es noch notwendig, zu erläutern, warum 'ne Schmiererei an einem Haus mit faschistischem Inhalt 'ne politische Straftat und keine Sachbeschädigung ist.
Was kann denn der Staat sonst tun?
Frank: Also, vom Staat erwarten wir eigentlich, daß gemeinsam mit den Organisationen, die in der Jugendverbands und in der Jugendarbeit tätig sind, in die Diskussion eingetreten wird und Diskussionsergebnisse dann auch umgesetzt werden. Das heißt, 'ne konzertierte Aktion zwischen den staatlichen Einrichtungen, der Jugendpflege und den Freien Trägern.
Reichen da Lerninhalte, die den Jugendlichen vorgetragen werden?
Thorsten: Natürlich nicht nur abstrakt, über'n Kopf und über Erklären. Ich denke, daß Themen wie Krieg, Hunger, Verfolgung, Unterdrückung, Ausbeutung, Rassismus und ähnliches, auch Themen sind für die Grundschule. Ich denke, daß man solche Themen behandeln muß in einer Form, die zu gesellschaftlichem Handeln anleitet, denn nur über eigenständiges aktives Handeln kann man wirklich Bewußtsein schaffen. Über erklären oder Bilder zeigen oder diskutieren alleine kommt man da nicht sehr weit. Es ist Auftrag der Schule auch ganz bewußt zum Handeln anzuleiten.
Nochmal zurück in den Kiez. Kennt ihr denn selber eure Gegner?
Thorsten: Das ist schwierig. Man muß da unterscheiden, ob ein Jugendlicher in der U-Bahn angepöbelt wird, ob da gezielt Schüsse auf den Falken-Bus beispielsweise abgegeben werden, oder unsere Villa im Wedding überfallen und besprüht wird. Ich denke, daß hier auch gezielt organisiert vorgegangen wurde, und da kennen wir die Täter natürlich nicht...
Thorsten: Rechtsextremismus ist letztendlich mit 'nem Bazillus zu vergleichen, der sich halt in einem bestimmten feuchtwarmen Klima gut ausbreitet und da gibt's zwei Strategien, die man fahren muß: Zum einen muß man dieses Klima verändern. Zum zweiten muß man die Leute immun machen gegen diesen Bazillus.
Muß denn ein Jugendlicher, der bei den Falken ist, in Neukölln oder Wedding das Gefühl haben, zu einer schützenswerten Minderheit zu gehören?
Frank: In gewissen Situationen unter Umständen ja...
Thorsten: Er lernt es, damit umzugehen. Unsere Mitglieder empfinden das als positiv.
Wenn dich in Neukölln ein Jugendlicher fragt, ob er sich einen Aufnäher gegen Nazis auf die Jacke nähen soll, was empfiehlst du dem?
Frank: Wir halten die dazu an.
Und im Wedding?
Thorsten: Ich würde ihn dazu ermutigen.
Interview: Thomas Kuppinger
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