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Goebbels-Edition angekündigt

■ Berliner Historiker Professor Bernd Soesemann plant textkritische Edition der Goebbels-Aufzeichnungen / Durch Schriftsteller Erwin Fischer Zugang zu bisher verschollen geglaubten neuen Dokumenten

Ein Termin, der nach Routine roch, wurde zur Sensation: Der Berliner Historiker Bernd Soesemann, Direktor des Instituts für Kommunikationsgeschichte und Angewandte Kulturwissenschaften an der FU, stellte sein neuestes Forschungsprojekt vor. Mit ihm sollen die letzten Lücken in den Aufzeichnungen von Hitlers Minister für Volksaufklärung und Propaganda, Joseph Goebbels, bald geschlossen werden. Titel des Projekts: Beiträge zur Restituierung der Goebbels-Aufzeichnungen. Soesemann bereitet eine Edition der noch fehlenden Tagebücher vor, die auch das Jahr 1944 einschließen sollen, über das bisher noch keinerlei Material vorliegt. Der Professor behauptet, beweisen zu können, daß an den lange verschollen geglaubten Papieren nach 1945 Veränderungen vorgenommen worden seien.

Nach übereinstimmender Meinung der Wissenschaft sind die Goebbels-Tagebücher eine Quelle ersten Ranges, da sie die einzigen authentischen Tagesaufzeichnungen aus dem inneren Kreis des nationalsozialistischen Machtapparats darstellen. Erst 1987 war eine vierbändige, unkommentierte Ausgabe der Goebbels-Tagebücher erschienen, die jedoch noch etliche Lücken aufwies. Sie basierte auf einem Bestand, den der Schriftsteller Erwin Fischer 1974 einem Verlag überlassen hatte. Dieser gab ihn nach Fischers Darstellung unbefugt an das Münchener Institut für Zeitgeschichte weiter. Seither liegt Fischer mit beiden Seiten im Rechtsstreit.

Fischer, der sich seit 20 Jahren der Suche nach den Tagebüchern verschrieben hat, fand Mitte der 70er Jahre neues Material, das den Grundstock für die vorgesehene Veröffentlichung bildet. Weitere Unterlagen fand Soesemann in verschiedenen Bibliotheken und Archiven, unter anderem in der DDR. Er hatte bereits 1983 mit einer Kritik zur Echtheit und Herausgabe der sogenannten Riezler-Tagebücher, wo es vor allem um die planmäßige Vorbereitung des Ersten Weltkrieges auf deutscher Seite ging, für öffentliches Aufsehen gesorgt.

Anders als bisherige Herausgeber plant Soesemann eine textkritische Ausgabe mit einem Begleitkommentar. Ein solches Konzept war bisher von dem Schweizer Francois Genoud durchkreuzt worden, der alle Nutzungsrechte an Goebbels Werk für sich reklamiert und erfolgreich in allen erschienenen Veröffentlichungen ein Begleitwort plazieren konnte. Da Genoud als Goebbels-Verehrer gilt, sei eine Zusammenarbeit mit ihm nicht in Frage gekommen. Möglichen juristischen Auseinandersetzungen sieht der Präsident der Freien Universität (FU), Dieter Heckelmann, „gelassen“ entgegen. Die FU hat für zwei Jahre die Finanzierung des Forschungsprojektes übernommen.

taz/dpa

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