Verschleppungstaktik

■ Südafrika demonstriert zum wiederholten Mal, daß ihm in Namibia jedes Mittel recht ist

So wie am 1.April dieses Jahres sollen auch jetzt bewaffnete Einheiten der Swapo die Grenze von Angola nach Namibia überschritten haben und eine Offensive planen. Das jedenfalls wollte Südafrika glauben machen. Denn der unüberlegte Einfall der Swapo am 1.April schadete dem internationalen Ansehen der Befreiungsbewegung, die 23 Jahre lang gegen den südafrikanischen Besatzer gekämpft hatte, mehr, als diese wahrhaben wollte. Nur mit Mühe konnte damals der Fahrplan der UN-Resolution 435, um die jahrelang gerungen worden war, überhaupt in Gang gebracht werden. Südafrika, das nur durch Druck der Supermächte an den Verhandlungstisch gebracht worden war, konnte sich am 1.April zynischerweise als „unschuldig“ darstellen.

Auch jetzt, vier Tage vor den Wahlen zur für die Zukunft des Landes zentralen verfassunggebenden Versammlung, wurde versucht, in die gleiche Kerbe zu hauen. Südafrikas Außenminister „Pik“ Botha wollte in erster Linie die Glaubwürdigkeit der UNO demontieren, indem er die Untag -Beobachter als Angsthasen und Lakaien der verhaßten Swapo denunzierte. Daß es sich bei der erneuten Invasion der Swapo um eine unhaltbare Behauptung seines Geheimdienstes handelte, erwischt Botha kalt. Zugleich wurde jedoch deutlich, wie sehr Südafrika die Infrastruktur Namibias beherrscht: Nicht nur wurden alle Soldaten (neben den 1.500 regulär in Namibia stationierten auch gerade die 7.500 in der Enklave Walfischbucht) in Alarmbereitschaft gesetzt. Nein, auch die „aufgelösten“ brutalen Anti-Guerilla -Einheiten Kovoet sind jederzeit einsatzbereit. Die weiße Minderheit ist sowieso bewaffnet und hofft immer noch darauf, daß irgend etwas passiert, um die Wahlen erst gar nicht stattfinden zu lassen.

Seit dem 1.April versucht das Rassistenregime, den Unabhängigkeitsprozeß, wenn nicht zu ver-, dann doch zu behindern. Von Anbeginn an existierte ein Mißverhältnis zwischen der realen Macht der Südafrikaner und dem bloßen Koordinationsstatus der UNO. Einziger Trumpf der „United Nations Transitional Assistance Group“ ist die Entscheidung, ob die Wahlen zur Unabhängigkeit der letzten Kolonie Afrikas denn nun „frei und fair“ sind oder nicht. Diese Entscheidung darf nicht Pretoria überlassen werden. Vier Tage vor der Wahl fehlt immer noch die gesetzliche Grundlage für die zu wählende verfassunggebende Versammlung, auch ein Resultat südafrikanischer Verschleppungstaktik. Die UNO sollte langsam anfangen, ihre bisherige Position, die Umsetzung der Resolution 435 sei „im großen und ganzen auf Kurs“, zu überdenken.

Andrea Seibel