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„Sie waren hier die längste Zeit“

■ Verleumdung in Sachen Wurst vor dem Amtsgericht: 1.500 Mark für falsch Zeugnis ablegen

„Das Fleisch ist ungenießbar. In dem Laden kann man nicht kaufen.“ - „Man muß sich den dreckigen Tresen erst mal angucken“ und „In den Eintopf wird jeder Dreck reingemacht“. Wenn es stimmt, was Zeuginnen im Amtsgericht über Rudolf S. erzählen, dann hat der Mann tatsächlich keine gute Meinung über die Schlachterei von Frau W. Da aber seine Meinung zur Wurst nicht der Wahrheit entsprach, und ihm dies sehr wohl auch bekannt war, mußte sich Rudolf S. am Donnerstag vor dem Bremer Amtsge

richt verantworten.

„Ich mach‘ Sie fertig, Sie waren hier die längste Zeit!“, hatte Rudolf S. der Ladenbesitzerin gedroht. Früher hatte er Werbezettel für sie ausgetragen. Seine Verleumdungsaktion startete er, nachdem sie ihn wegen Unzuverlässigkeit entlassen hatte. Danach war für Frau W. „der Zug abgefahren. Ich konnte dort keinen Fuß mehr fassen“, sagte sie vor dem Amtsgericht. Sie schloß ihr Geschäft.

Eine weitere Verleumdung wurde Rudolf S. zur Last gelegt. Er soll gegenüber einer Frau Meyer behauptet haben, seine Nachbarin erzähle, er habe ein Verhältnis sowohl zu besagter Frau M. als auch zu ihrer Tochter. Auch dies war falsch, und er stiftete damit viele Verwirrungen und Tränen. Rudolf S., ohne anwaltlichen Begleitschutz, verzichtete auf eine Verteidigung und warf statt dessen den Zeuginnen abwechselnd Scheckbetrug, Lügen und Unglaubwürdigkeit vor und drohte, nachdem er einige von ihnen hatte vereidigen lassen, Strafanzeige wegen Meineids zu

stellen. Der Angeklagte schien ohnehin zu glauben, daß er von vornherein verurteilt sei und resignierte oft: „Es hat sowieso alles keinen Zweck“ und „Ich weiß, was hier läuft“. Da alle Beteiligten der Sache überdrüssig waren (es war schon der dritte Verhand

lungstermin), suchte man zu einem schnellen Abschluß zu kommen.

Urteil des Amtsgerichtes: 50 Tagessätze a 30 Mark und damit fünf Mark mehr als der Staatsanwalt beantragt hatte.

Katja Ammann

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