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Wohin mit der Bremer Polizei?

■ Mehrer Führungsbeamte der Polizei müßten versetzt werden - aber niemand weiß, wohin

Der „höhere Dienst“ bei der Bremer Polizei umfaßt 38 Mann. Seit den beiden Geiselnahmen ist in aller Öffentlichkeit deutlich geworden, daß da nicht alles zum besten bestellt ist. Die Führungsbeamten seien sich „nicht einmal über den Charakter ihrer Führungsorganisation im Klaren gewesen“, stellte der Ausschußbericht verwundert fest, den Beamten Spychala, Waldschmidt und Steinwald sei ihrer Abweichung von Dienstanweisungen „vollauf bewußt“ gewesen, sie hätten die technischen Geräte nicht beherrscht und Spychala wird „verantwortungslos“ genannt. Und so weiter: Eine Polizei -Schelte auf 350 Seiten, und zu allem Überfluß unter dem unverdächtigen Ausschußvorsitzenden Peter Kudella (CDU) zustandegekommen.

Was tun? „Da gibt es einige wandelnde Leichen“, sagt ein Kenner der Szenerie des Polizeihauses, „aber in einem Stadtstaat kann man niemanden von Krefeld

nach Aachen versetzen“. Für den „Beamten vom Lagedienst“, Wilfried Spychala, wurde eine teure Lösung erfunden: Spychala muß sich nur noch um den Datenschutz bei der Polizei kümmern, das ist eine sogenannte „KU-Stelle“: Wenn Spychala sie nicht mehr besetzt, kann sie umgewandelt werden. Denn vom Anforderungsprofil her wäre sie im mittleren Dienst anzusiedeln, einige Gehaltsstufen drunter.

Aber da ist zum Beispiel auch der Polizeiführer aus dem Gladbecker Geiseldrama, Peter Möller. Ihm wollte der Senator eine Brücke bauen und verwies auf den Posten des Polizeidirektors in Bremerhaven, der demnächst neu zu besetzen ist. Aber Möller ist von seiner glücklichen Rolle im Geisel-Drama überzeugt und will freiwillig nicht gehen. Es bestünde die Möglichkeit, ihn auf eine Abschiebeposition im Innenressort zu versetzen und zum Chef des in Bremen eigentlich

nicht existierenden Landeskriminalamtes zu machen. Aber dort sitzt Joachim Riedel, der früher einmal Chef der Kripo werden wollte. Damals wurde ihm Möller vorgezogen - heute will Riedel nicht mehr.

Was soll also aus Möller werden? Man müsse die dienstrechtliche Auswertung des Geisel-Ausschußberichtes abwarten, sagt der Innensenator. Immerhin wurde auf dem internen Dienstwege in den letzten Wochen peinlich verordnet, daß Peter Möller nicht mehr Polizeiführer wird, wenn für einen aktuellen Fall einer aus den Reihen der Kriminalpolizei bestimmt werden muß.

Den Leiter des „Technischen Dienstes“ der Schutzpolizei, Jürgen Ring, auch im Führungsstab bei Geiseldrama, wollte der Innensenator nicht zum Polizeireferenten in seinem Hause befördern - der klagt nun vor dem Verwaltungsgericht.

Der Leiter der Abteilung 3

„Verkehrspolizeiliche Aufgaben“ bei der Bremer Schutzpolizei, Manfred Müller, hatte sich im Frühjahr schon bei den Kollegen verabschiedet, mit denen er jahrelang zusammengearbeitet hatte, und sein Zimmer ordentlich aufgeräumt: Er würde, so war er sich sicher, Leiter der Bereitschaftspolizei werden. Denn Müller erfüllte alle dienstrechtlichen Voraussetzungen und sah sich als langjähriger stellvertretender Leiter der Bereitschaftspolizei geradezu prädestiniert für den Posten. Aber der Posten ging an ihn vorbei. Gerd Ilgner, bei der Schutzpolizei zuständig für Aus-und Fortbildung, kam an die Spitze der Bereitschaftspolizei, ist allerdings zunächst nur „kommissarisch“ im Dienst. Müller ist seitdem, so wissen Polizei-Insider, nicht mehr im Dienst gesehen worden. Monatelang hat man im Polizeihaus großzügig über den Fall hinweggesehen, nun ist die Geduld am Ende.

Zu Ende ist auch die Geduld des Innensenators bei dem Feuerwehrmann aus dem eigenen Hause, Engelmann. Aus Gesundheitsgründen ist er monatelang kaum im Dienst, wollte aber seinen Posten freiwillig nicht für einen anderen freimachen.

Aber auch in den unteren Etagen des Polizeidienstes ist in den vernehmungen des Ausschusses einiges zu Tage gekommen. Zum

Beispiel das Mobile Einsatzkommando der Kripo, MEK. Die beiden Beamten, die die Geiselnehmer-Freundin Löblich festgemommen haben und in eidesstattlichen Versicherungen erzählten, das sei aus Notwehr geschen, haben ihren Senator in eine peinliche Lage gebracht - der glaubte nämlich den Polizisten. Gegen sie ist noch nicht dienstrechtlich vorgegangen worden, weil man den Eindruck vermeiden wollte, gegen die „kleinen“ wwürde härter vorgegangen als gegen die „Großen“, erklärt der Innensenator. Aber auch dem MEK-Chef Beckmann wird in dem Ausschuß-Bericht schlichte Überforderung bescheinigt: „Beckmann muß sich vorhalten lassen, ohne genaue Kenntnis der Lage und ohne Beteiligung des Lagezentrums in unverantwortlicher Weise in die Führung der Kräfte vor Ort eingegriffen zu haben...“ Aber auch Beckmann ist noch in seiner Funktion im Amt.

So ist die Ratlosigkeit des neuen Polizeipräsidenten Lüken groß. Völlig neu im Amt wollte er seinen Einstieg nicht mit disziplinarischen Maßnahmen vollziehen. So ist, bis auf kleine Ausnahmen, ein Jahr nach dem Geiseldrama alles beim Alten...

K.W.

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