: „Aber: ich lebe“
SFB-Intendant Günther von Lojewski predigt für die Sterblichkeit / Neue Linie des SFB? ■ D O K U M E N T A T I O N
Ein Träger des „Goldenen Sportabzeichens“, der die SFB -Intendanz als „sportliche Herausforderung“ annahm (s. taz v. 20.4.), geht auch „tausend Toden“ nicht aus dem Weg. Eine dieser Schlachten wurde kürzlich auf dem Nebenschauplatz der 'Mitteilungen des Deutschen Alpenvereins‘ (Heft 3/89) ausgefochten, deren Redaktion v. Lojewski gebeten hatte, seine „an ein positives Bewußtsein unserer Welt und Zeit gebundene kritische Wahrnehmung“ zum besten zu geben. Mit Erfolg - die Leserbriefspalten der Alpenvereinszeitschrift fassen die Reaktionen ihrer doch sonst so zurückhaltenden Mitglieder nicht mehr („Blanker Zynismus oder bloß dumm?“ versuchte ein Leser aus Pfarrkirchen noch zu trennen). Die taz, selbst Inbegriff „chronischen Negativjournalismus“, dokumentiert diesen erschütternden Beitrag des Intendanten zur Lebenslust als Sterbehilfe:
Die Boten der Angst kommen täglich, Presse, Funk und Fernsehen, selbst Freunde: „Störfall in einem Atomkraftwerk“ - der ganzen Umgebung droht Versuchung. „Pershing II auf unserern Straßen“ - die Nachrüstung hat das Land zu einem einzigen Raketen-Arsenal gemacht. „Krieg der Sterne“ - nun kommt Vernichtung auch noch aus dem Weltraum. „Luftfahrt im Aufwind“ und Treibmittel aus Spraydosen - das zerstört die Atmosphäre, wird das Klima verändern. Verfeuerte Kohle, verheiztes Öl - Pole werden schmelzen, Küsten überflutet. Smog nimmt mir die Luft zu atmen. (...) Stickoxide aus Vergasern und Schloten töten Mensch und Natur, „zuerst stirbt der Wald...“ Wo Kraftwerke kühlen, verderben Flüsse und Seen. (...) Chemikalien, die in die Nordsee verklappt werden, bringen die Fische um. Medikamente, die lebensgefährlichem Rheuma abhelfen sollen - fördern Krebs. (...) Mein Obst ist gespritzt, Gemüse bleihaltig, Wein voll Glykol, Bier künstlich konserviert, Fleisch mit Hormonen gemästet, im Brot findet sich Kadmium, in Nudeln Flüssigei... Hiiilfe! Politik und technischer Fortschritt, Industrie und Chemie - ich sterbe tausend Tode!
Aber: ich lebe! Ich lebe in Frieden und Freiheit und Sicherheit, besser als je einer zuvor. Ich werde sogar (nach allen Statistiken) länger und gesünder leben als alle Generationen vor mir. Warum eigentlich vagabundiert so viel Angst? Wollen wir Menschen im Jahr 2000 unsterblich sein?
zitiert aus: 'Mitteilungen des Deutschen Alpenvereins‘, 41. Jahrgang, Heft 3/1989 (Juni), P. 161
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