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Insulare Marginalien

■ Eine Kategorisierung vom „Gemeinschaftsterritorium“ bis zur „Hyperperipherie“

Dreihundert Inseln mit je mehr als dreihundert Einwohnern werden im künftigen Binnenmarkt treiben - von Helgoland bis la Reunion vor Madagaskar. 15 Millionen Europäer sind Inselbewohner (Briten und Iren ausgenommen). Die größte, Sizilien, ist fast so groß wie Belgien, die kleineren Atolle der Kanaren ähneln eher größeren Schaluppen. Manche sind karg besiedelt (18 Fuertoventuraner pro Quadratkilometer), manche reichlichst (336 Madeiraner auf der gleichen Fläche). Dennoch weisen Europas Inseln, nimmt man die Steueroasen Jersey, Guernsey und die ölverwöhnten schottischen Eilande aus, ein ähnliches ökonomisches Profil auf: Das Durchschnittseinkommen auf ihnen liegt ungefähr ein Drittel unter dem EG-Schnitt, die Arbeitslosigkeit ist höher als die des kontinentalen Mutterlandes. 1981 trafen sich die europäischen Inseln in Teneriffa und verabschiedeten ein Manifest, das von Inselforschern als erstes Dokument insularen Coming Outs gewertet wird.

Für Brüssel ist Insel nicht gleich Insel. Die „festlandnahen“, wie Sardinien, Kreta, die Balearen und die Kanalinseln, werden als Teil des Gemeinschaftsterritoriums angesehen und nicht anders behandelt als periphere Gebiete wie die süditalienische Basilicata (die übrigens noch ärmer dran ist als die ärmste Insel). Im Gegensatz zu sonstigen Peripherien haben die Inseln meist einen fiskalischen Sonderstatus, der von der EG bislang toleriert wird. Jersey und Guernsey sind Teil der Zollunion, nicht jedoch der EG und deswegen auch Brüsseler Direktiven nicht unterworfen. Die kanarischen Inseln haben sich beim Beitritt Portugals wiederum vorbehalten, nicht Mitglied der Zollunion zu werden.

Als „hyperperipher“ gelten daneben die französischen Überseedepartements, von Martinique bis Guadeloupe, wobei Guayana gleichfalls als Insel betrachtet wird, obwohl es durchaus kontinental an Brasiliens Seite liegt. Der Hyperperipherie hat Brüssel fiskalischen und zollrechtlichen Sonderstatus zugebilligt. So müssen etwa auch Importe aus Mitgliedsländern verzollt werden.

Schließlich wären da noch die 25 „Überseegebiet“ genannten Reste der britischen, holländischen und französischen Kolonialreiche: die Malwinen, Neukaledonien oder die Niederländischen Antillen. Sie werden als Gemeinschaftsterritorium angesehen (ebenso wie Grönland und die Faroer Inseln), ohne jedoch der EG-Gesetzgebung zu unterliegen. So können sie Mittel aus den Strukturfonds beanspruchen und haben freien Zugang zum Binnenmarkt.

smo

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