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Tschik Bum und Zorn

■ Nochmal JazzFest'89: Joey Baron solo und John Zorn's „Naked City“

Den ersten Teil des JazzFest-Abschlußabends in der Schauburg bestritt Joey Baron solo am Drum-Set. Der schmächtige, kahlgeschorene Drummer entwickelte in seinem Set ein sensibles Trommel-Konzept. Sein Interesse bestand weniger an lautstarkem Powerspiel oder virtuos-wirbelnder Geschwindigkeit, die er durchaus auch beherrscht, wie er zwischendurch und v.a. später bei Naked City bewies.

Es ging ihm mehr um Sound, um die Entwicklung und Entfaltung rhythmischer und melodischer Ideen auf den Drums. Wiederkehrende melodische, klingende Rhythmusfiguren wurden angereichert, erweitert, durchbrochen, wechselnd akzentuiert. Mit Besen, Schlegeln, Sticks, Händen und Füßen paraphrasierte er einfallsreich und konzentriert Blues-, Marsch-und Jazz-Rhythmen.

So entmilitarisierte er im Titel „Take the can“ einen konventionellen Marschrhythmus durch Reduzierung der Lautstärke zuerst in ein zerbrechliches Trommelgeflecht, um ihn dann in einen funkig swingenden New Orlean

ser Funeral-Marsch enden zu lassen. Doch gegen Ende des Sets ließ die Spannung nach, der anfängliche Reiz verflog durch die Ausdehnung und die Figuren waren sich zu ähnlich. Weniger wäre besser gewesen. Trotzdem viel Beifall in der gut besuchten Schauburg.

Und dann folgte ein zorniger Plünderzug durch die unterschiedlichsten musikalischen Vorlieben des John Zorn. Naked City heißt das jüngste Projekt des New Yorker Altsaxophonisten. Zusammen mit Wayne Horvitz (p, keyb), Bill Frisell (g), Fred Frith (e-b) und Joey Baron (dr) unternahm Zorn die Vorstellung seiner klanglichen Obsessionen. Ein Crossover von Soundtracks, Blues, Hardcore Punk, Freejazz, Speed Surf und Hard-Bop bei dem Eklektizismus zum Prinzip erhoben wird. Durch 28 Kompositionen raste der musikalische Express Naked City. Darunter nur sechs etwas längere Titel, der Rest waren kurze und kürzeste Speed-Versionen von Zorns Klangideen. Cartoon-Musik hat Zorn selbst mal sein musikalisches Konzept beschrieben. Die

Montage musikalischer „Kurzfilme“, manchmal nur aus einer Szene bestehend.

Diese Musik ist so vielfältig, wechselt so rasend schnell ihr Sujet, arbeitet mit überraschenden Themenwechseln und verwertet soviele Stilelemente, daß es mir schwerfällt, sie zu beschreiben. Mensch muß sie einfach gehört haben. Wenn sich beispielsweise aus einer lautstarken Noise-Passage eine perlende Jazzgitarre für zwei, drei Akkorde erhebt, um sofort wieder zu verklingen. Oder wenn in einem Led Zeppelin -„Tribute“ ein Rockthema gnadenlos zerfetzt wird. Oder wenn sich mitten in ein bluesiges Jazzstück eine Hawaii-Gitarre schleicht. Mir schien der Sound am Freitag nicht optimal, das Schlagzeug war etwas zu laut, und Zorns Saxophon und die Keyboards kamen nicht immer genügend durch.

Nach anderthalb Stunden erklatschte sich das begeisterte Publikum zwei Zugaben. Ein gelunges Finale des JazzFest'89, das hoffentlich nicht das letzte von Radio Bremen ausgerichtete war.

Arnaud

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