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Mutlangen un(ge)nötig(t)

■ Bremer Anwalt wegen Pershing-Blockade vor Gericht

Wo kein Genötigter, da kein Nötiger. Gemäß dieser juristischen Binsenweisheit mußte in der letzten Woche das Amtsgericht in Schwäbisch-Gmünd den Bremer Rechtsanwalt Gerhard Baisch vorerst unverurteilter Dinge wieder ziehen lassen. Anfang Januar will das Gericht einen zweiten Anlauf unternehmen, die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft gegen Baisch durch Zeugenaussagen zu belegen. Danach soll sich der Baisch zusammen mit fünfzig weiteren AnwältInnen aus der ganzen Bundesrepublik am 23. Mai 1987 der Nötigung schuldig gemacht haben, als er sich für zwei Stunden vor die Einfahrt der US-Kaserne Mutlangen setzte, um gegen die dortige Unterbringung von Pershing-II-Atomraketen zu demonstrieren.

Der Versuch, hierfür mit zweieinhalbjähriger Verspätung den fälligen Beweis anzutreten, scheiterte jetzt vor Gericht allerdings. Der Fahrer eines Baustellenfahrzeugs, dessen Dienstwege an jenem Morgen angeblich durch robenschwarz gekleidete Organe der Rechtspflege versperrt waren, mochte sich vor Gericht „subjektiv jedenfalls nicht genötigt“ fühlen. Weitere Zeugen konnten sich während des Verfahrens nicht einmal an seine Existenz erinnern: Ein Baustellenfahrzeug im Strafverteidiger-Stau sei ihnen nicht aufgefallen, versicherten sie während der Verhandlung. Auch Baisch hatte den Fahrer während der Sitzblockade überhaupt nicht bemerkt.

Ein zweiter, potentiell genötigter Zeuge war zur Verhandlung gar nicht erst erschienen, um pflichtgemäß Zeugnis von der Beeinträchtigung seiner Freizügigkeit abzulegen. Es handelt sich um einen LKW-Fahrer der US-Army, der angeblich an der Fahrt auf das Kasernengelände gehindert wurde. Der GI ist inzwischen wieder in seine Heimat rückversetzt und scheute offensichtlich den weiten Weg in den Schwäbisch-Gmünder Gerichtssaal. Derart aufwendige Dienstreisen, wurde das Gericht beschieden, seien nur in „cases of emergency“ vorgesehen. Die US-Army geht offensichtlich davon aus, daß die juristische Bewertung anwaltlichen Rumsitzens nicht unter diese Kategorie fällt. Wovon das deutsche Gericht ausgeht, wird am 8. Januar entschieden.

K.S.

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