: Warum ich den einseitigen Waffenstillstand beendet habe
Von Daniel Ortega, Staatspräsident Nicaraguas ■ D O K U M E N T A T I O N
Am 25. Februar 1990 wird Nicaragua faire und demokratische Wahlen feiern. Präsident, Vize-Präsident und das gewählte Parlament werden, ausgestattet mit ihrer ganzen konstitutionellen Macht, dann am 25. April 1990 ihr Amt antreten. Dies ist mein heiliges Versprechen an das nicaraguanische Volk. Gleiches habe ich in den multilateralen Abkommen der Präsidenten Zentralamerikas versprochen, die in diesem Jahr in Tesoro Beach und Tela unterzeichnet worden sind.
Im letzten Monat haben sich 1,75 Millionen Nicaraguaner das sind mehr als 90 Prozent aller Wahlberechtigten - in einem von allen internationalen Beobachtern anerkannten Verfahren registrieren lassen. Ich werde weiterhin alles tun, um zu gewährleisten, daß der gegenwärtige Wahlprozeß demokratisch bleibt, und daß, wie 1984, unsere Wahlen von den internationalen Beobachtern als frei und fair beurteilt werden.
Doch leider bedrohen zunehmende militärische Aktionen der Contras zur Unterminierung des Wahlprozesses meine Fähigkeiten, das Recht der nicaraguanischen Bürger zu schützen, eine offene Wahlkampagne zu führen und für die politische Partei ihrer Wahl zu stimmen. Dies ist der Grund, warum ich widerwillig beschlossen habe, den einseitigen Waffenstillstand der Regierung nicht zu verlängern.
Im Oktober haben neu von Honduras eingeschleuste Contra -Einheiten mehr als 50 Wahlmeldestellen geschlossen und so Tausende Bürger von ihrer Registrierung abgehalten. Bekannte Unterstützer der Sandinistas - prominente lokale Führer, Parteiaktivisten und Kandidaten für lokale Ämter - wurden von ihnen als Ziele für Anschläge ausgewählt und ermordet. Am 21. Oktober verübten die Contras einen Anschlag auf Reservisten auf dem Weg zur Wahlregistrierung, bei dem sie 19 von ihnen ermordeten und sechs verwundeten. Am vergangenen Dienstag brachten sie vier Bauern auf einer Kooperative in der Nähe von San Miguelito um. Auf meine Einladung hin besuchten Beobachter der Vereinten Nationen, der Organisation Amerikanischer Staaten und der US-Botschaft die Szene des Anschlags, um die Leichen zu sehen und mit Überlebenden zu reden.
Warum die Zunahme der Contra-Gewalttaten? Der Erfolg unserer Wahlmobilisierung läßt sie verzweifeln. Sie befürchten, daß freie Wahlen, von der internationalen Gemeinschaft anerkannt, ihre noch flackernden Hoffnungen auf eine Fortsetzung des Krieges ausblasen werden. Die einzige Chance, die sie noch sehen, liegt in neuen Attacken auf Zivilisten, um so die Regierung zu den notwendigen Sicherheitsmaßnahmen zu zwingen. Die Reaktion der Regierung soll anschließend der Welt als Beweis für ihre feindliche Haltung gegenüber demokratischen Wahlen präsentiert werden.
Die wichtigsten Unterstützer der Contras in Nicaragua - die Nationale Oppositions-Union, die wie die Contras von den USA geschaffen, gekauft und bezahlt worden ist - beschuldigen mich bereits eines Komplotts zur Absage der Wahlen. Dabei ist dies genau das, was sie von mir wollen. Denn sie sind genauso überzeugt wie ich, daß, wenn die Wahlen abgehalten werden, und das werden sie, das nicaraguanische Volk den Sandinistas einen erdrutschartigen Sieg bescheren wird. Mein Ziel auf dem Gipfel in Costa Rica letzte Woche war es, die Unterstützung der versammelten Staatsoberhäupter zur Beendigung der Contra-Gewalttaten zu erzielen. Ich wollte, daß sie ihren kollektiven Einfluß geltend machten, um die volle Durchführung des Abkommens von Tela zu gewährleisten, das die Demobilisierung und Entwaffnung der Contras bis zum 5. Dezember vorsieht. Dies ist der effektivste Weg zur Beendigung der Contra-Attacken auf unsere Bürger und den Wahlprozeß.
Es ist nun klar, daß es wenig Sinn hat, unsere Friedensbemühungen auf das Thema eines Waffenstillstands zu beschränken. Für uns ist es kein akzeptabler Waffenstillstand, wenn die Contras ihre Waffen benutzen und wir stillstehen. Nur ein Ende des Krieges wird uns dauerhaften Frieden bringen. Und nur die sofortige Demobilisierung der Contras kann den Krieg beenden. US -Präsident Bush hat mit einer Tirade persönlicher Beleidigungen reagiert. Er hat mich beschuldigt, die „garden party“ in Costa Rica zu verderben.
Nun, das Leben in meinem Land ist keine „garden party“. Acht Jahre eines von den Reagan- und Bush-Administrationen finanzierten und dirigierten Krieges haben dafür gesorgt. Selbst jetzt, nach dem allgemeinen Lob für unseren Wahlprozeß, hat Präsident Bush Schritte unternommen, die das Leiden des nicaraguanischen Volkes noch vergrößern. In der letzten Woche hat er das Wirtschaftsembargo, das den Handel zwischen Nicaragua und den USA seit dem Mai 1985 unterbindet, für weitere sechs Monate verlängert. Und noch schlimmer, Präsident Bush hat alle Anstrengungen zur Demobilisierung und Entwaffnung, wie sie im Tela-Abkommen gefordert werden, blockiert. Er hat die Contras militärisch am Leben erhalten, indem er sie mit nicht zum Töten bestimmter Hilfe versorgt. Solche direkte US-Hilfe verstößt gegen das Tela-Abkommen, das Hilfe nur zur Demobilisierung und nur durch eine Sonderkommission erlaubt.
Präsident Bush mag zwar keine militärische Reaktivierung der Contras beabsichtigen. Lateinamerikanische Führer, die ihm nahestehen, sagen mir, daß auch er eine Demobilisierung der Contras wünscht, jedoch nicht vor den Wahlen. Angeblich befürchtet er, daß ihre Demobilisierung vor den Wahlen dazu führt, ihn vom rechten Flügel der Republikanischen Partei aus der Anschuldigung des Verrats auszusetzen. Deswegen ist die gegenwärtige US-Hilfe angeblich zur Beruhigung dieser Extremisten bestimmt und nicht zur Wiedererweckung der Contras.
Nichtsdestotrotz haben die Contras Bushs Hilfe zur Intensivierung ihrer kämpferischen Aktivitäten benutzt, um unserem Land weiter Morde und Zerstörung zuzufügen. Alle wohlmeinenden Leute wollen zwischen heute und Februar für Nicaragua zwei Dinge: ein Ende der Kämpfe und das Abhalten demokratischer Wahlen. Trotz allem, was er getan hat, mag Präsident Bush das gleiche wollen. Er kann dies demonstrieren, indem er die sofortige Demobilisierung der Contras unterstützt. Dies mag ihn den Geschrei des Verrats von Rechtsextremisten aussetzen. Aber die Alternative ist, das nicaraguanische Volk weiterhin zu täglicher Trauer über den Tod derjenigen zu verdammen, die durch die von den USA kreierten und finanzierten Contras ermordet werden. Ein wirklich „großer Mann“ hätte hier keine Schwierigkeiten, die richtige Wahl zu treffen.
Aus der 'New York Times‘ vom 2.11.89. Übersetzung: Rolf Paasch
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