Neue Armut

■ Aus dem Schuldensumpf durch Beratung und Betreuung

Die „Solidarische Hilfe e.V.“, Bremen ist ein Selbsthilfeverein von Menschen, die von Neuer Armut betroffen sind oder waren. Seit über einem Jahr bieten wir neben Sozialhilfeberatung (BSHG-Beratung) und Frauenberatung auch Schuldnerberatung (SB) an. Gegenwärtig führen verschiedene Faktoren zu einer unhaltbaren Situation für die rat-und hilfesuchenden Schuldner/innen: In dieser praktisch einzigen Anlaufstelle für verschuldete Bremerinnen und Bremer gibt es z.Zt. vier Schuldnerberater/innen, von denen zwei ehrenamtlich arbeiten und zwei seit dem 1.9.89 über ABM -Stellen beschäftigt sind. An eine Einarbeitungszeit für die neuen MitarbeiteInnen in die komplexe Problematik der SB ist aber nicht zu denken: Die Nachfrage nach Beratungsterminen übersteigt bei weitem die Möglichkeiten des personell und inhaltlich Leistbaren. Aufgrund der völligen Überbelegung durch bereits angenommene und zu betreuende Fälle und einen über Wochen im voraus ausgebuchten Terminkalender müssen aber die verschuldeten Männer und Frauen mit mindestens einer einmonatigen wartezeit für einen Termin rechnen. Oftmals ist es aber dann bereits für eine Hilfe zu spät. Denn die Erfahrungen aus der SB zeigen, daß es meistens eine aktuelle Forderung ist, durch die dem/der betroffenen Schuldner/in seine/ihre finanzielle Misere erst bewußt wird bzw. er/sie durch gerichtliche Zwangmaßnahme seitens des/der Gläubiger/in in existenzielle Not gerät. Den Zugang zur SB der „Solidarischen Hilfe e.V.“ finden die Schuldner/innen aber auch auf anderen Wegen: Oftmals stellt sich im Rahmen der BSHG-Beratung oder Frauenberatung des Vereins heraus, daß der/die Ratsuchende verschuldet ist. Vielfach werden auch Leute von der Bremer Verbraucherzentrale (VZ) zu uns geschickt. Meistens handelt es sich um Schulden aus Konsumentenkrediten, Versandhausschulden oder um Forderungen von öffentlichen Gläubigern (Post, GEZ, Sozialverwaltung). Als Ursachen für die Verschuldung sind sowohl strukturelle als auch lebensgeschichtliche Faktoren zu nenen.Und nicht zuletzt der herrschende Abzahlungsmodus - man/frau zahlt erst die Kosten, dann die Zinsen und erst dann auf die eigentliche Hauptforderung ab -, der eine Schuldentilgung bei geringer Ratenzahlung fast aussichtslos macht. Tritt erst einmal ein Zahlungsverzug ein, steigen die Schulden somit immer mehr. Wenn ein/e Schuldner/in “ das Glück“ hatte, einen Termin zu bekommen, wird konkret folgendermaßen vorgegangen:

-gemeinsame Sichtung der Unterlagen während des Erstgespräches, Klärung der persönlichen und finanziellen situation des/der Betroffenen, Erteilung einer Vollmacht an uns, schriftliche und/oder mündliche Kontaktaufnahme mit den Gläubigern, nach Erhalt der Antworten der Gläubiger Erarbeitung eines Zahlungsplanes, entsprechende Verhandlungen mit den Gläubigern

Ein solches eben beschriebenes Schuldenregulierungsverfahren ist fast immer mit einer sozialen Betreuung der Betroffenen verbunden. Dieser ganzheitliche Betreuungsansatz versteht sich als Hilfe zur Selbsthilfe. Damit soll dem/der Betroffenen die Gelegenheit gegeben werden, das sich hinter den Schulden meistens verbergende Problem bzw. die durch die Schulden entstandenen Situation ein Stück weit aufbrechen zu können. Unsere Erfahrung zeigt, das eine Trennung zwischen reine Schuldenregulierung und einer Schuldnerberatung im oben beschriebenen, umfassenden Sinne, nicht möglich und auch nicht wünschenswert ist. Die sozialarbeiterisch verstandene Aufgabe der SB, die bei uns eben auch Schuldnerbetreuung ist, wird konkret durch die Tatsache erschwert, saß bisher nur ABM-Stellen dafür zur Verfügung stehen.

„Solidarische Hilfe e.V.“, Steffensweg 49, 2800 Bremen, Tel. 3961040

Selbstdarstellungen von Projekten und Initiativen an : taz Bremen, Am Dobben 123, 2800 Bremen 1.