: Wer einmal lügt...
Exfinanzminister bezichtigt Thatcher der Lüge / Labour versucht daraus Kapital zu schlagen ■ Von Ralf Sotscheck
London (taz) - Der ehemalige britische Finanzminister Nigel Lawson hat am Sonntag abend Premierministerin Margaret Thatcher indirekt der Lüge beschuldigt. Thatcher hatte wiederholt erklärt, daß sie nicht wisse, ob Lawson im Amt geblieben wäre, wenn sie ihren Berater Alan Walters entlassen hätte. In seinem ersten Interview seit seinem Rücktritt sagte Lawson, daß er die Premierministerin bei drei Gesprächen in keinem Zweifel über seine Absichten gelassen habe: „Ich sagte zu ihr, mir sei klar, daß es schwierig sein würde, Walters sofort loszuwerden. Solange er jedoch vor Jahresende ginge, sei das akzeptabel. Andernfalls wäre meine Position als Finanzminister unhaltbar.“
Thatcher hatte in einem Fernsehinterview vor einer Woche dagegen behauptet, daß sie keine Ahnung habe, warum Lawson zurückgetreten sei. „Ich habe die Sendung gesehen“, sagte Lawson am Sonntag. „Ich war überrascht, als sie das sagte. Ich bin zu dem Schluß gekommen, daß sie es wohl nicht für möglich gehalten hat, daß ich es ernst meinte.“ Thatcher hat seit Lawsons Rücktritt ständig betont, daß sie alles unternommen habe, um ihn zu halten. Lawson sagte dazu: „Nein, das hat sie nicht.“
Darüber hinaus bestand Lawson in dem Interview darauf, daß Großbritannien sich bei dem EG-Gipfel im Juni festgelegt habe, dem Europäischen Währungssystem beizutreten, sobald „Fortschritte“ im Binnenmarkt erreicht worden seien.
Die Labour Party versucht, die Gunst der Stunde nach dem Lawson- Interview zu nutzen. John Smith, Finanzminister des Schattenkabinetts, sagte: „Es ist klar geworden, daß die Premierministerin sehr sparsam mit der Wahrheit umgegangen ist. Wenn Lawson nicht geredet hätte, wäre die Wahrheit verborgen geblieben. Wir schulden ihm einen Gefallen dafür, daß er Thatchers Bereitschaft zur Irreführung aufgedeckt hat.“ Ein Kabinettssprecher gab sich jedoch optimistisch: „Ich glaube nicht, daß diese Sache die Regierung erschüttern wird.“
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