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Spezialist für kleine Merkwürdigkeiten

■ Im Culture Club heute: Gotthart Kuppel: u. a. Judokämpfer, Schauspieler, Arzt, Regisseur, Schlappseilartist

Daß der Sohn Bremer Eltern erst das Alte Gymnasium der hansestädtischen Elite besucht hat, dann Arzt geworden ist, und dann, weil ihm Arzt zu blöd war, lieber Schlappseilartist und schauspielernder Kinderentzücker, das hatte ich mir so gedacht. Aber so war es natürlich nicht bei einem, der ständig auf sechs verschiedenen Schienen denkt, mindestens. Und, sagt der Spezialist für Verknurztes: Ich habe versucht, mein Gehirn zu verstehen, das ist mir noch nicht gelungen.

Eher war es so, daß er jahrelang, so in den 70ern, alles gleichzeitig und durcheinander gewesen ist: Judokämpfer bis zur Olympiamannschaft, Regisseur von Kinderstücken, Medizinstudent, Mitgründer der freien Theatergruppe Oppodeldok, Schauspieler mit Vorliebe für Arztrollen. Bei - wir nennen nur die großen Namen - Zadek in Bochum spielte er den Dr.von Brausepulver in „Frühlings Er

wachen“, bei Rosa von Praunheim den Dr. Ottenschlag in „Menschen im Hotel“. Die Berichterstatterin, die auf einer Ebene denkt, höchstens, verliert die Übersicht. „Wir sind bei dem Kapitel: Die Ärzte, die ich spielte,“ grinst Dr. Kuppel hilfreich. Außerdem: „Ich bin halt recht betriebsam.“

Alles ergab sich daraus, daß Gotthart Kuppel in seiner Funktion als Klassenkleinster immer den Arsch voll kriegte. Unter den argwöhnischen Augen der Patriziersöhne am AG lernte er deshalb Judo, zunächst bis dahin, daß sich der nächste Konflikt zugunsten der Judotechnik löste. Seiner Judokünste wegen holte ihn ein Freund 1972 ans Theater der Jugend, damit er da die Kampfszenen inszeniere. Da blieb er dann gleich, als Regieassistent, später als Schauspieler. „Bleiben“ ist der falsche Ausdruck bei so einem mindestens Sechs-Schienigen, aber das war der Sprung vom

Sport zum Spiel. Irgendwann paßte die Chirurgenschiene dann nicht mehr, und er hat sie gelassen. Auch weil er, was ihn immer noch wundert, für Theatermachen tatsächlich Geld kriegt.

Kuppels Stücke und Insspielsetzungen, die meisten für Kinder, inzwischen auch für Erwachsene sind immer skuril und meist von schwarzem Witze superdry. Sie wringen ihren Witz aus Worten wie aus Dingen, wie z.B. in dem Teebeutelstück „Tea for two“, das Kuppel & Jaspersen auf der Breminale gezeigt haben. Von der Art hat der „Spezialist für kleine Merkwürdigkeiten“ viel gemacht. „Herrn Sturm und sein Wurm“ für das Bremer MOKS-Theater oder „Schumanns Kinderszenen“ mit live gespielter Schumann-Musik, gespielt vor Fünfjährigen. In und um Bremen gassenhauerten wochenlang die Mitsingsongs der Kinder, die dem Dr. Kuppel bei „Der Überquerung“ der Niagarafälle per Schlappseil assistiert hatten. In Eßlingen inszeniert er, für Kinder, eine Tränenrevue über die verschiedenen Tränensorten und für Erwachsene „Das Skurril-Spiel. Sowas“ von Albert Drach. Besonders freuen tut er sich auf eine Uraufführung eines Stückes von Thomas Brasch 1991 in Wiesbaden: „Bericht vom Sterben des Musikers Jack Tiergarten.“ Das soll ein drastisches Stück über den Ausverkauf der Phantasie des sterbenden Musikers werden, mit stummen Schauspielern, einem Schlagzeug und

einem Bariton, der den Traum des Jack Tiergarten singt.

Zur Winterszeit jedoch ist der Festlandssockel von Kuppels Energie ausgenommen, da wohnt er bei seiner Frau auf auf Teneriffa. Natürlich gibt er auch da nicht Ruh, sondern schreibt an ei

nem Roman und bringt LiedermacherInnen zu einem Stück über die Urbanisierung der Insel zusammen. Damit Sie nicht so erschlagen sind, habe nur den kleineren Teil der Aktivitäten des Dr. Kuppel erwähnt, er ist nämlich recht betriebsam.

Uta Stolle

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