Koschnick: „Manche Regionen leben von Militäraufträgen, die sind schlimm dran“

■ Interview mit Hans Koschnick, Außenpolitiker der SPD, MdB und (noch) Mitglied des Verteidigungsausschusses / Über Abrüstung und die Zukunft der Rüstungsproduktion

Was wird in der Nato und in Bonner Verteidigungs-Kreisen diskutiert als Konsequenz als den Entwicklungen in Osteuropa?

Koschnick: Zunächst einmal gar nichts ...

Ist das nicht blamabel?

... weil alle Führungsgremien, auch der Staaten wie Ungarn oder Polen, in denen jetzt große Reformprozesse ablaufen, deutlich machen: Es gibt keine ernsthafte Problematisierung des Warschauer Paktes. Die beiden Bündnisse sollen in ihren jetzigen Beständen erhalten bleiben, damit in den Konferenzen von Wien und später bei den START-Konferenzen auf beiden Seiten Verhandlungspartner da sind, die mit den neutralen Staaten Europas zu vernünftigen Lösungen kommen.

Aber es gibt doch viel weitergehende Vorschläge von hohen sowjetischen Politikern, etwa die Auflösung des Warschauer Paktes ...

Nein, dies ist eine alte Position. Daß am Ende eines solchen Prozesses auch die Auflösung beider Paktsysteme kommen soll, das ist ein Schritt hinterher.

Wieviele Jahrhunderte müssen wir darauf warten?

Bei der Auflösung der Bündnisse weiß ich es gar nicht. Aber wir werden von 1990 bis ungefähr 1996 mit einer Fülle entscheidender Schritte der konkreten Abrüstung rechnen können, wenn das Klima zwischen Moskau und Washington bleibt, wie es ist.

Man könnte doch sagen, wir reduzieren die Bundeswehr sofort um die Hälfte...

Sagen kann man alles. Die Frage ist, wie wird das Ergebnis sein von Wien. Tatsache ist, daß die jetztige Diskussion um die Reduktion in der Bundeswehr etwas zu tun hat damit, daß die öffentlichen Mittel nicht mehr ausreichen, den bisherigen Bestand aufrecht zu erhalten. Das hat mit den Verhandlungen in Wien noch nichts zu tun.

Gibt die Politik nicht ein absurdes Bild ab: Da wird immer noch Kriegsvorbereitung gespielt, und es ist klar, daß keiner hingehen würde, in der DDR nicht und bei uns auch nicht?

Die Art von Vorbereitungen werden auf beiden Seiten gespielt. Sprechen Sie mit dem Generalstabschef des Warschauer Paktes, Herrn Lobof, der war bei der Nato-Tagung in Rom. Der wird sagen: Das sind alles

Phantastereien.

Hier das Fot

von dem Mann, der taz lies

bitte rechts die Nase stehen lasse

links kann das Bild kürzer werden!

Muß nicht jeder moralisch verantwortlich denkende Mensch heute in der Bundesrepublik die jungen Menschen aufrufen, den Militärdienst zu verweigern?

Wenn Sie mich so fragen, muß ich sagen: Wer das tut, löst das ganze Verfahren in Wien auf. Sie werden am nächsten Tag in Wien kein Verhandlunsgergebnis mehr haben. Das ist für beide Seiten keine glaubwürdige Position.

Also muß man die Verteidigungsstärke der Nato aufrechterhalten, um in Wien in Verhandlungen ...

Die Frage ist, ob ich noch einen Konflikt zwischen Ost und West sehe. Nein, auf beiden Seiten sitzen keine Selbstmörder. Aber moralische Aufrufe allein haben in der Welt noch nie etwas genutzt. In Wien werden sich beide Seiten in der Frage der Soldaten-Zahlen, der Bewaffnungssysteme, des Abbaus von Angriffsfähigkeiten einer massiven Reduzierung der Militärausgaben verständigen. Dies ist der erste Schritt.

Was wird aus der Rüstungsschmiede Bremen, wenn in den 90er Jahren viel weniger Geld in Militärausgaben fließt?

Auch wenn Wien nicht klappen würde, wären wir gezwungen, aus ökonomischen Gründen, an eine Abschmelzung der Bundeswehr zu denken. Das, was bleiben wird, sind militärisch finanzierte Kapazitäten in der Forschung und Entwicklung. Was Produktion angeht, wird es ganz entscheidende Einschnitte geben, und die deutsche Rüstungsindustrie weiß das.

Ich hatte nach Bremen gefragt. Sind Sie Mitglied der Bremer Rüstungs-Konversions-Stiftung?

Nein, ich bin nicht Mitglied einer Stiftung, ich weiß, um was es geht. Was machen wir mit den Beschäftigten der Rüstungsproduktion? Dafür muß Zivilproduktion entwickelt werden, ich brauche strukturpolitische Entscheidungen. Manche Regionen leben ja nur von den Militäraufträgen, schlimm dran sind kleinere Gemeinden mit einer großen Garnison. Dies ist eine Frage, die kann ich nur bundesweit lösen. Deswegen sage ich, wer glaubt, er könne aus dem Bundeswehrhaushalt 10 Milliarden Mark rausschneiden, um sie der Entwicklungshilfe zu geben, der sagt damit, daß er kein Geld nehmen wird, um die Umrüstung der deutschen Industrie auf neue Aufgaben vorzunehmen.

Ich kommen nochmal auf Bremen zurück. Sehen Sie in Bremen eine Stelle, die dafür vordenkt, plant?

Es beginnt einmal in der Universität, das ist auch richtig. Ich hoffe, daß sich auch in der Wirtschaftsverwaltung Leute hinsetzen und sich Gedanken machen. Auch das, was diese Stiftung macht, ist absolut richtig. Aber das ist keine leichte Aufgabe, die sitzen in ganz Europa an der Frage, was machen wir mit der militärischen Industrie. Zwischen den großen Sprüchen und der Umsetzung ist ein langer Weg. Und darum muß man jetzt daran arbeiten und darf nicht warten, bis die Verträge von Wien fertig sind.

Wann sind die fertig?

Im nächsten Jahr, davon gehe ich aus.

Int.: K.W.