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Ein fauler Kompromiß in Arbeit

■ Wird die politische Abteilung der Staatsanwaltschaft aufgelöst oder nur umverteilt: Vorabentscheidung wird heute erwartet / Kostprobe von Verfahren gegen die taz wegen angeblichen Verstoßes gegen das Pressegesetz

Heute wird die von Justizsenatorin Limbach eingesetzte Kommission zur Umstrukturierung der Staatsanwaltschaft abschließend über die Frage der Auflösung der politischen Abteilung der Staatsanwaltschaft beraten. Bekanntlich waren sich SPD und AL bei den Koalitionsverhandlungen darüber einig, daß die berüchtige Elitetruppe aufgelöst werden muß. Ein in der vergangenen Woche bekannt gewordenes internes Diskussionspapier der Kommission (die taz berichtete) deutet jedoch daraufhin, daß die Kommission an einem Vorschlag arbeitet, der weitere Spezialzuständigkeiten bei der Staatsanwaltschaft für angeblich politische Straftaten vorsieht. In dem Vorschlag ist unter anderem eine Spezialzuständigkeit für „Gruppengewalt“ (Demonstrationen, Fußballspiele und Polizeiübergriffe) vorgesehen sowie für „Pressedelikte“. Wie eine Spezialstrafverfolgung von angeblichen Pressedelikten aussieht, wird am besten am Beispiel der taz deutlich, die von der P-Abteilung verfolgt wurde und wird wie keine andere Zeitung. Im folgenden eine Kostprobe.

Gleich gegen drei Mitarbeiter der taz (den presserechtlich verantwortlichen Redakteur sowie die beiden Interviewer) ermittelte und klagte die Abt-P wegen eines Interviews mit Dieter Kunzelmann (AL) an, der im Zusammenhang mit der Antes-Affäre in einem taz-Interview erklärt hatte, der Senat sei eine kriminelle Vereinigung. Da die Staatsanwaltschaft eine Verfolgungsermächtigung für §90b, Abs. 2 StGB vom Senat von Berlin nicht hatte, Strafanträge der betroffenen Politiker für §105 StGB nicht gestellt waren, warf die Staatsanwaltschaft den Angeklagten kurzerhand einen Verstoß gegen §90a StGB vor. Die Verteidigung, das Amtsgericht und schließlich die 20. Kammer des Landgerichts wiesen die Staatsanwaltschaft auf die klare Rechtslage hin, nach der das Veröffentlichen des Interviews unter keinen Umständen den §90a StGB erfüllte - ohne Erfolg. Selbst nach der Zurückweisung der Berufung durch die nicht gerade als liberal gerühmte 20. Strafkammer setzte die Staatsanwaltschaft nach und mühte sich - mehr als zwei Jahre nach der „Tat“ - nunmehr die Verfolgungsermächtigung durch die Mitglieder des damals noch amtierenden Senates zu erlangen, die dieser dann verweigerte.

In einem anderen Verfahren wurde der presserechtlich verantwortlichen Redakteurin (natürlich vor dem Schöffengericht, nicht vor dem Einzelrichter) der Vorwurf gemacht, sich strafbar gemacht zu haben, indem sie zuließ, daß anläßlich des Karfreitags 1987 neben einem vor vielen Jahren bereits an anderer Stelle erschienenen völkerkundlichen Textes über Kannibalismus Karikaturen einer bekannten östereichischen Karikaturistin veröffentlicht wurden, die Mönche zeigten, die offenbar gerade den „Leib Christi“ verspeist hatten und sich nun die gut genährten Wänste rieben. Die Angeklagte wurde vom Amtsgericht nach einem Prozeß freigesprochen, in dem sich die Öffentlichkeit über die katholische Kirche und die P-Abteilung der Staatsanwaltschaft amüsiert hatte, nachdem die Verteidigung darauf hinwies, daß im 12. Jahrhundert Gläubige verfolgt wurden, die betritten hatten, daß beim heiligen Abendmahl tatsächlich das Fleisch Christi verspeist wurde. Die Staatsanwaltschaft hat Berufung eingelegt.

In wieder einem anderen Verfahren wirft die Staatsanwaltschaft der Redakteurin vor, den Text des aus dem Fernsehen bekannten Frankfurter Kabarettisten Matthias Beltz (Heil Heiland, Jesus im Spannungsfeld zwischen Führerkult und Massenmord) am 24. Dezember veröffentlicht zu haben. Erneut soll der Tatbestand des §19, Abs. 2, BlnPresG IVM §166 StGB erfüllt sein. Der Text ist ein Nachdruck des Buches, das in Frankfurt beim Eichbornverlag erschienen ist. In Frankfurt wurde keine Anklage gegen den namentlich bekannten Autor oder Verleger des Textes erhoben, obwohl auch dort interessierte klerikale Kreise Anzeigen erstatteten. In West-Berlin hingegen - einst eine Hochburg der Aufklärung - wird einer presserechtlich verantwortlichen Redakteurin die Veröffentlichung des Textes. Der Prozeß wird noch stattfinden.

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