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DDR erwägt Reisegeldfinanzierung

DDR-Finanzminister Höfner will Zwangsumtausch und Transitpauschale einsetzen / Hans-Jochen Vogel empfiehlt deutsch-deutsche Bank / Möglicherweise doch neuer Wechselkurs? / DDR-Deviseneinnahmen sind vielfältiger Natur  ■  Von Ulli Kulke

Berlin (taz) - DDR-Finanzminister Höfner bewies es im Fernsehen: Die Flexibilität von DDR-Politikern läuft derzeit der Phantasie westlicher Beobachter immer schneller voran. Bundesfinanzminister Waigel und auch SPD-Politiker hatten noch in den letzten Tagen vorgeschlagen, die Devisen aus dem Zwangsumtausch der DDR zur Finanzierung von Westreisen einzusetzen, damit jedoch hierzulande eher skeptische Reaktionen geerntet, schließlich seien die Millionen in dem devisenarmen Staat fest verplant.

Höfner dagegen schlug nun selbst die Errichtung eines „Valuta-Fonds“ für Westreisen vor. Der Fonds solle aus dem Mindestumtausch und der von Bonn beglichenen Transitpauschale gespeist werden und den DDR-Bürgern Möglichkeiten zum Umtausch für Reisezwecke bieten. Höfner ließ offen, zu welchem D-Mark-Kurs die (Ost-) Mark angenommen und welche Gesamtsummen den einzelnen Reisenden zur Verfügung gestellt würden.

Der SPD-Vorsitzende Hans-Jochen Vogel hat gestern die Gründung einer gemeinsamen deutsch-deutschen Bank angeregt. Sie könnte Aufgaben der Kreditanstalt für Wiederaufbau übernehmen, die zur Zeit zinsgünstige Auslandskredite im Auftrag der Bundesregierung vergibt. Außerdem solle sie sich in den Finanzverkehr im Zusammenhang mit den Ost-West-Reisen einschalten und deutsch-deutsche Transferzahlungen regeln. In diesem Zusammenhang forderte auch Vogel, die Einnahmen aus dem Zwangsumtausch für das Einwechseln von DDR-Währung in West-Mark „zu einem noch festzulegenden Kurs zu nutzen“.

Inwieweit sich bundesdeutsche Stellen an einem amtlich festgelegten neuen Kurs etwa in der Größenordnung von 1:4 oder 1:5 beteiligen, ist nach wie vor völlig ungewiß. Daß man dennoch „natürlich darüber nachdenkt“, bestätigte gestern ein Sprecher des Bundesministeriums Fortsetzung auf Seite 2

für innerdeutsche Beziehungen, aber „es wäre falsch, den dritten Schritt vor dem ersten zu tun und die Überlegungen auch noch öffentlich zu machen“. Die DDR habe ja Devisen, da müsse erst einmal geprüft werden, wo die landeten.

Zur Zeit muß jeder West-Besucher einen Mindestumtausch von 25 D-Mark zum Kurs von 1:1 bei der Staatsbank tätigen. Damit soll sichergestellt werden, daß sich die Westler nicht mit billigerer Landeswährung auf dem Schwarzmarkt eindecken. Dort ist die Ost-Mark zur Zeit für rund 15 Pfennig zu haben (noch vor wenigen Wochen für neun

„D-Pf“), und die DDR-Staatsbank geht dabei leer aus.

Die Summen harter D-Mark, die die DDR aus dem Zwangsumtausch einnimmt, sind laut Innerdeutschem Ministerium nicht genau ermittelbar, weil nicht alle Besuche registriert würden. Grobe Schätzungen beliefen sich jedoch auf 500 Millionen jährlich. Ost-Minister Höfner bezifferte die bisherigen Einnahmen 1989 auf 330 Millionen Mark. Die Transitpauschale, die Bonn für die Benutzung der Straßen nach West-Berlin entrichtet, die Straßenbenutzungsgebühr für Ost-Besuche sowie die Post- und Fernmeldepauschalen hätten zusammen noch einmal 775 Millionen Mark eingebracht.

Allein die Transitpauschale ist zudem für die kommenden Jahre auf jeweils 860 Millionen Mark (jetzt 525 Mio.) angehoben worden. Nach Schätzungen hat allein die Bundesregierung seit Unterzeichnung des Grundlagenvertrages rund 30 Milliarden Mark an Ost-Berlin überwiesen.

Und obwohl der innerdeutsche Handel in der Regel nicht nur bar-, sondern insgesamt geldlos läuft und statt dessen Verrechnungsbilanzen bei der Frankfurter Bundes- und der Ostberliner Notenbank geführt werden, verfügt die DDR über bedeutende weitere Devisenquellen. Westbesucher kaufen für D -Mark im Intershop ein und beschenken ihre Ost-Verwandten mit Westwährung. Schon Anfang der 80er Jahre schätzten Experten die Intershop-Einnahmen auf eine Milliarde Mark pro Jahr.

Über den „Genex„-Geschenkdienst, bei dem Westler gegen Devi

sen Geschenke in den Osten expedieren können - vom Putzmittel bis zum Fertighaus - werden rund 220 Millionen umgesetzt. Und für West-Berlins U- und S-Bahnverkehr durch Ost-Tunnels sowie die Müll- und Abwasserentsorgung der Stadt gibt's nochmal 87 Millionen Mark. Nicht zu vergessen die DDR -Baukolonnen, die zugunsten ihrer DDR-Arbeitgeber auf westlichen Baustellen gegen Dumpinglöhne tätig sind.

Alles in allem hat die DDR ein Guthaben von rund 10 Milliarden Dollar bei westlichen Banken angehäuft, dem Gesamtschulden von 17 Milliarden gegenüberstehen. Laut Jahresbericht der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich hat die DDR allerdings zuletzt 700 Millionen Mark ihrer Guthaben abgezogen. Eine erste Voraussetzung zur Gewährleistung eines Wechselkurses von 1:4 oder 1:5? Nötig wären in der Tat große Summen. Höfner rechnet mit zehn Millionen Reisenden „ins kapitalistische Ausland“, die nach bisheriger Planung immerhin 30 Tage außer Landes sein dürfen. Geht man im Schnitt von einem Bedarf von 500 D-Mark aus, so kämen satte fünf Milliarden zusammen.

Kurz vor Redaktionsschluß erhielt der SPD-Vorsitzende Vogel Schützenhilfe für seinen Vorschlag einer deutsch-deutschen Bank: Der Präsident des Deutschen Sparkassen und Giro -Verbandes, Helmut Geiger, bekundete, er halte die Einrichtung einer deutsch-deutschen Bank für sinnvoll. Voraussetzung dafür seien allerdings grundsätzliche Reformen in der DDR. Es sei dringend notwendig, dort allmählichmarktwirtschaftliche Elemente einzuführen.

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