: Leninwerft zum Schleuderpreis
■ Bremer Unternehmerdelegation besuchte Gdansk und ist zufrieden
Eine Woche lang waren 30 Bremer UnternehmerInnen in der polnischen Partnerstadt Gdansk, um mit polnischen Partnern über gemeinsame Geschäfte zu reden. Gestern machten sie vor der Presse eine Erfolgsbilanz auf: „Die Telexe fliegen hin und her“,
sagte der Sprecher der Handelskammer, Rudolf Böck, „viele Kooperationen sind in Gang gesetzt.“
Leiter der Unternehmerdelegation war der Bremer Wirtschaftssenator Uwe Beckmeyer. Der äußerste sich zunächst lobend über das reibungslose Klappen der Besuchsreise: „Für polnische Verhältnisse eine außergewöhnliche organisatorische Leistung“.
Unter den Reisenden waren einige alte Hasen: Martin Grunau zum Beispiel, der einen großen Teil des AG Weser-Geländes in Gröpelingen bewirtschaftet, beschäftigte schon polnische Arbeiter, als er noch sein Geld damit verdiente, Autobahnbrücken zu sandstrahlen und neu zu streichen. Seit 1974 ist er in Polen tätig und unterhält jetzt auch ein Büro auf einer Gdansker Werft. Um ihre Wirtschaft in Gang zu bringen, sollten die Polen mit deutscher Hilfe kleinere und mittlere
Produktionen für den Export aufbauen. Zum Beispiel Türen, Schrauben und Flansche für den BRD-Markt. Grunau wörtlich: „Für uns kann nur im Osten der Raum sein, wo wir uns erweitern können.“
Polen, so der Eindruck der Bremer Reisegruppe, hat einen „unendlichen“ Bedarf an Maschinen und Ausrüstungen. Und das nicht nur in der Industrie: Der Sprecher der Bremer Abwasser -Entsorgungsfirma Kary berichtete, daß fast alle Kläranlagen an der Weichsel und Oder sowie das Gdansker Wasserwerk von Grund auf renoviert werden müßten. Allein um das Wasser der Weichsel - und damit teilweise auch der Ostsee - zu reinigen, seien 80 Milliarden Dollar erforderlich. „Ein Riesenmarkt für uns“, sagte der Firmensprecher, „aber mit unseren 60 Angestellten in Bremen sind wir weitaus überfordert.“
Auch Bremer Kaufleute drän
gen nach Osten. Ein Handelsunternehmen betreibt einen Laden in der Markthalle von Gdansk. Westliche Konsumgüter gibt es da, aber nur gegen Dollar. Dollar könne jetzt jeder Pole bekommen, erläuterte die Inhaberin, weil die neuen privaten Wechselstuben seit kurzem die staatlich Erlaubnis hätten, Westwährung zum Schwarzmarktkurs zu verkaufen. Im joint venture mit der Stadt Gdansk will das Bremer Handelshaus weitere vier Läden eröffnen.
Für 90 Millionen Mark hätte der Bremer Werftenverbund 45 Prozent der legendären Leninwerft in Gdansk kaufen können. Dieses Angebot hat Gewerkschaftschef Walesa den Bremern unterbreitet. Ohne Erfolg. Denn die Bremer Werftchefs machen sich Sorgen um eine ausreichende Auslastung der eigenen Betriebe. Doch über eine enge Zusammenarbeit der Werften wird nun verhandelt. Man will künftig Schiffe gemeinsam bauen.
mw
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