: Filmgeschichte ist Geschichte im Film
■ Eine Filmreihe im Atlantis zur vierzigjährigen Geschichte der BRD /
Als damals im Mai (1949) diese Republik qua Proklamation eines Gesetzbuchs zur offiziösen Größe mutierte, da war auch die ortsansässige Filmindustrie schon längst wieder dabei, sich auf die Füße zu rappeln. Dabei war doch erst alles kaputt, verboten (wie der schließlich staatseigene Nazi-Film -Monopolist Ufa) und auch noch in der Ost-Zone gewesen, hatte es eine Infra-Struktur für west-deutsche Filmproduktion nicht gegeben. Folgerichtig waren die Ossis und ihre Form des Ufa-Erbes, DEFA, dann auch schneller: Der erste deutsche Nachkriegsfilm war (1947) die DEFA-Produktion „Die Mörder sind unter uns“ von Wolfgang Staudte.
Doch bald schon holten wir auf: Nicht nur, daß wir hier ja noch an den alten Beständen ge
nug zu sehen hatten, (trotz der alliierten Zensurbehörden durften doch viele der noch fertiggestellten Filme aus der Ufa-Produktion aufgeführt werden, sie boten ja keine offene NS-Propaganda), in unseren neuen Film-Metropolen, München, Hamburg, Köln wurden auch schon bald eigene Produktionen fertiggestellt.
Weil die Proklamation der Republik sich jüngst zum 40ten Mal jährte, hat das für seine filmästhetische Kompetenz berüchtigte BundesInnenministerium das „Deutsche Institut für Filmkunde“ beauftragt, ein Filmprogramm mit Filmen aus den 40 Jahren bundesdeutscher Filmproduktion zusammenzustellen.
Gedacht, getan, seit dem Frühjahr tourt das Programm „EinBlick zurück - 40 Jahre Film in der Bundesrepublik“ durch diese
und erreicht nun als drittletzte Station Bremen. In jedem Bundesland haben sich die Filmkundler ein Kino ausgesucht, in dem sie das Programm abspielten. Vierzehn Spielfilme quer durch die Jahre erblicken so in der kommenden Woche das Abspielgerät des Kinos Atlantis in der Böttcherstraße. Zu jedem der Filme werden als weitere Programmpunkte gezeigt: jeweils eine Reihe (hoffentlich kluger und beschlagener) einleitender und einordnender Worte aus dem Munde einer MitarbeiterIn des Filkunde-Instituts, ein zeitgleiches Werbeprogramm, eine Wochenschau, möglichst die, die bei seiner Uraufführung lief und einer der „künstlerischen“ Kurzfilme, die das harte Brot vor dem Genuß des Spielfilms darstellten. So ist jede einzelne Filmvorführung eingebettet in ein Programm, das auf subtile Art die Zutaten des Zeitgeistes seiner Entstehungszeit vermittelt.
Durch die Nachrichten der Wochenschau werden politische Zusammenhänge deutlich, die Bilder sorgen für die Plastizität, die für eine lebendige Vorstellung von Geschichte so nötig ist. Alltäglichkeiten, die aus den Bildern winken, zeigen mehr über das Leben, die Nöte und Freuden der Menschen, als alle Vorträge und langen Feierstunden-Reden. Die Augen werden geöffnet, sensibilisiert für den Hintergrund der Bilder, für eine ganz andere Dimension, als die in der sich die normal -oberflächliche Filmbetrachtung abspielt. Geschichte des Films wird so zur Geschichte im Film: ein gutes, ein schönes Konzept.
Die Reihe beginnt heute (17.30 Uhr) mit dem „Film ohne Titel“ (uraufgeführt am 23.1.1948) von Helmut Käutner (ja , der von 'Münchhausen‘ mit Albers, nicht der einzige, der kein Neuling im deutschen Film war), in dem Käutner versucht, über die Konstruktion einer Rahmenhandlung, die konventionelle Filmdramaturgie zu durchbrechen und den Prozeß des Filmens im Film zu reflektieren. Von hier ab überschreitet man flugs den magischen Termin vor 40 Jahren und läßt sich in den Fünfziger Jahren nieder, jener Traumzeit des deutschen Kinos (nicht des Films), als die Mammut-Kinos aus dem Boden schossen, die televisionäre
Konkurrenz noch unbedeutend war und die Wochenschau anfing, ohne alliierte Kontrolle zu funktionieren.
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(Solange du da bist, 1952, 9.11. 20.30; Monpti, 1957, 10.11., 17.30; Das Mädchen Rosemarie, 1958, 10.11., 20.30; Das Wunder des Malachias, 1960, 11.11., 17.30; Schloß Gripsholm, 1961, 11.11., 20.30; Der junge Törleß, 1964, 12.11., 17.30; Abschied von gestern, 1966, 20.30; Zur Sache, Schätzchen, 1968, 13.11., 17.30; Angst essen Seele auf, 1971, 20.30; Lina Braake, 1975, 14.11. 17.30; Das zweite Erwachen der Christa Klages, 1978, 20.30; Lena Rais, 1980, 15.11., 17.30; Männer, 1985, 20.30 Uhr)
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