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„Nicht abschätzbare Risiken für Mensch und Umwelt“

Eine Erklärung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes Kassel / Gentechnische Gewinnung von Humaninsulin mit Grundsatzurteil gestoppt  ■ D O K U M E N T A T I O N

Ein vorläufiger Stopp der gentechnischen Gewinnung von Humaninsulin ist die Folge einer Eilentscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 6. November 1989, mit der die aufschiebende Wirkung einer Klage von in der Umgebung des Geländes der Fa. Hoechst wohnenden Bürgern wiederhergestellt worden ist. Der Beschluß ist den Beteiligten inzwischen zugegangen.

Der Regierungspräsident in Darmstadt hatte der Firma Hoechst in den Jahren 1985 und 1987 für verschiedene Abschnitte die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Anlage erteilt, in der unter Verwendung gentechnisch veränderter Mikroorganismen (e-coli-Bakterien) ein Zwischenprodukt für in weiteren Verfahrensschritten herzustellendes Humaninsulin gewonnen werden soll. Die dagegen von zahlreichen Bürgern eingelegten Widersprüche waren im Verwaltungsverfahren erfolglos geblieben, ebenso ein vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main gestellter Eilantrag.

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat nunmehr als Beschwerdeinstanz unanfechtbar - denkbar ist allein noch die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts - dem Begehren der Antragsteller auf vorläufigen Rechtsschutz stattgegeben und die „Errichtungs- und Betriebsgenehmigung für die Fa. Hoechst in Frankfurt am Main außer Vollzug gesetzt“. Zur Begründung hat der 8.Senat folgendes ausgeführt: „Solange der Gesetzgeber die Nutzung der Gentechnologie nicht ausdrücklich zuläßt bisher liegen lediglich Gesetzesentwürfe vor - dürfen gentechnische Anlagen - unabhängig von der Bewertung ihrer Gefährlichkeit im Einzel- fall - nicht errichtet und betrieben werden.“ Das Gericht hat dabei die Auffassung vertreten, „daß allein der Gesetzgeber als demokratisch berufenes Organ zu entscheiden habe, ob die Gentechnologie im industriellen Maßstab genutzt werden dürfe. Die zur Zeit nicht abschätzbaren Risiken für Mensch und Umwelt versagten es den Gerichten, sich an die Stelle des Gesetzgebers zu setzen und über das Ob und Wie der Nutzung der Gentechnologie befinden.“ Die bestehenden Gesetze, die die Abwehr von Gefahren regeln (z.B. das Bundesimmissionsschutzgesetz, das Bundesseuchengesetz oder das Chemikaliengesetz), bildeten angesichts der ganz anderen Dimension und Qualität der mit der Gentechnologie neben ihrem Nutzen verbundenen Risiken keine ausreichende Rechtsgrundlage für die Erteilung der in Rede stehenden Genehmigung.

Az.: 8 TH 645/89

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