: Grenzenloser Strom
■ Späth: Nationale Energiepolitik passe / Deutscher Kohle-„Sockel“?
Braunlage/Harz (dpa) - Die deutsche Steinkohle kann nach Auffassung des Vorstandsvorsitzenden der Rheinisch -Westfälischen Elektrizitätswerk AG (RWE/Essen), Friedhelm Gieske, in Zukunft „auch aus europäischer Sicht noch einen Sicherheitssockel darstellen“. Für den künftigen Kraftwerkseinsatz der teuren heimischen Steinkohle müsse eine „vernünftige Mengenbestimmung“ noch getroffen werden.
Eine mögliche Tonnenzahl nannte Gieske jedoch nicht. Er gehört der Mikat-Kommission an, die zur Zeit in Bundesauftrag Vorschläge für eine Anschlußregelung zum 1995 auslaufenden „Jahrhundertvertrag“ über die Steinkohleverstromung erarbeitet. Sein Vorstandskollege Franz-Josef Schmitt meinte, daß die danach verfeuerte Menge bundesdeutscher Kohle „erheblich“ unter der bis dahin vereinbarten Menge liegen würde.
Zuvor war der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Tyll Necker, ebenfalls für den Erhalt eines „Grundsockels“ an heimischer Steinkohle als Teil einer „Diversifikationsstrategie“ für die Stromerzeugung eingetreten. Auch er wollte die notwendige Menge nicht beziffern. Seiner Meinung nach geht aber „kein Weg daran vorbei, die Kohleproduktion schrittweise sozialverträglich zurückzuführen“.
Der von der EG-Kommission für den offenen europäischen Binnenmarkt angestrebte Durchleitungszwang für einzelne Kunden in bestehenden Stromnetzen wäre nach Meinung des RWE -Chefs „wider alle volkswirtschaftliche Vernunft“. Falls es dennoch dazu käme, werde der deutsche Branchenführer auch bei dem dann zu erwartenden „Catch-as-catch-can nicht schlecht aussehen“. Gieske deutete an, daß die RWE unter Umständen auch mit Unterpreisangeboten in Nachbarländern reagieren würde.
Der baden-württembergische Ministerpräsident Lothar Späth sieht für nationale Energiepolitik keine Chance mehr: „Die Franzosen schwimmen in Strom. Ich möchte den sehen, der in der Bundesrepublik neue Kraftwerke baut, wenn man in Frankreich billig Strom kaufen kann“, meinte er auf der Tagung. Wer bereits die Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen europäisiere, könne nicht an „nationalen Spielregeln“ für den Energiebereich festhalten.
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