Kurzer Brief...

■ ...an die deutsche Schwester Übersiedlerin

Liebe DDR-Bürgerinnen: Ich könnte Euch stundenlang im Fernsehen beim Demonstrieren zugucken. Euch bestaunen, wie Ihr Eure Meinung sagt, so ernsthaft und uneitel. Das ist ungewohnt für eine aus einem Land, mensch sich gerne reden hört. Ich könnte Euch küssen für den Witz auf Euren Transparenten und für Eure Ausdauer. Und mit Euch weinen, wenn Ihr Euch mit WestberlinerInnen in den Armen liegt.

Aber eins ärgert mich: Wenn ich Euch in Bremen leibhaftig treffe, im Übergangswohnheim, wo täglich zehn deutsche BremerInnen anrufen, um Euch und Euren deutschen Männern Arbeit und Wohnung anzubieten und zu bemerken, daß diese nicht für „Polen und Russen“ bestimmt sind. Und wenn dann aus Eurem Mund fast nichts kommt als Geschimpfe über die faulen, kulturlosen Polenfrauen, die den ganzen Tag nicht besseres zu tun wissen, als Leckereien zu kochen. Während Ihr Euch schon in Früh-und Spätschichten abrackert, und Euch kein Kotelett leistet, weil ihr eisern für die Tapeten spart. Wenn Ihr bei all dem Haß auf „die Polenfrauen“ vergeßt, daß die auch nur zu Aldi und Plus gehen. Da kann ich Euch nur bestätigen: Ja, Ihr seid Deutsche.

Und verzieh mich lieber vor's Fernsehen.

bd