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Die USA feiern den Sieg von „vriidem änd dimokressie“

Die Deutschen liebten eben ihr Land - mehr fiel dem US-Präsident Bush nicht ein / Selbst kalte Krieger schwenken ihre Mental-ware in TV-Expertenrunden um  ■  Aus Washington Rolf Paasch

Es war der Tag, an dem ein Bomber der US-Navy in Atlanta mit einem feuerlichen Crash in einem Apartmenthochhaus landete, als wolle der Pilot symbolisch das Ende seiner Mission ausdrücken. Es war der Tag, an dem das US-Repräsentantenhaus ein kaum gekürztes, 305 Mrd. Dollar schweres Rüstungsbudget verabschiedete - so als wolle es noch schnell die letzte Hardware an den militärisch-industriellen Komplex bringen, ehe mit der Mauer auch die alten Feindbilder abbröckeln. Und dann gegen 6.30 Ortszeit begann Amerika das Ende des Kommunismus, Totalitarismus, Sozialismus - in der Hast kann einem das schon mal durcheinander gehen - und den Sieg von „vriidem änd dimokressie“ zu feiern.

Hinter dem nach Berlin eingeflogenen Nachrichten -Präsentatoren Tom Brokaw von NBC beginnen hacksüchtige Berliner fernsehgerecht mit der Zerstörung des anti -faschistischen Schutzwalls. Als „human touch story“ treten Birgit und Klaus vor die Mauer, sie die Stumm-Glückliche von der anderen Seite und er, der übersetzt, warum seine Verlobte nach fünf Jahren nun rübergekommen ist. Und eine junge Ostberlinerin wird gefragt, ob die Mauer aus dem Westen betrachtet anders aussieht? „Ja, mehr archaisch“, wobei sie wohl die „Anarchie“ der Graffities meinte.

Zwischen den Einblendungen historischer Versatzstücke von Kennedys: „Ich bin ein Berliner“ bis hin zu Reagans: „Mr. Gorbatschow, reißen Sie diese Mauer nieder“ nehmen dann die Experten-Runden führender Sowjetologen und amerikanischer Ostkundler im Studio Platz. Paul Nitze, der alte Abrüstungskämpe, sieht passend zu der Publikation seiner Memoiren „Von Hiroshima bis Glasnost“ seinen Traum in Erfüllung gehen. Der republikanische Senator Lugar bedankt sich bei Helmut Schmidt für die Nachrüstung. Ja, selbst Kalte Krieger machen gute Miene zum bösen Spiel. Der Altrechte Pat Buchanan entwirft auf dem Nachrichtenkanal CNN ein Ost-West-Rückzugsszenario, dem sogar die Grünen zustimmen würden. Und auch Walt Rostow, Ex -Sicherheitsberater unter Kennedy, hat Konstruktives vorzuschlagen: die graduelle Umwandlung von NATO und Warschauer Pakt zu Abrüstungskontrollbehörden.

Nur die Administration bleibt seltsam cool. Vize-Präsident Dan Quayle sagt nur wenig, wohlwissend, daß nun die unvermeidliche Reprogrammierung seiner mentalen software anliegt. Und George Bush? Der versucht's mit einer anthropologischen Beschreibung: „Dies sind Dschörmens, Dschörmens lieben ihr Land.“ Und dann kommt er: der vom Reiter der Apokalypse zum Boten des neuen Zeitalters tranformierte Ronald Reagan. Über Satellit aus seinem Pensionszimmer in Los Angeles eingeblendet, strahlt er wie ein SDI-Laser: „Hab‘ ich euch das nicht gesagt, schließlich bin ich ein ewiger Optimist.“ Und das mit dem Reich des Bösen, Mr. Ex-Präsident? „Das habe ich damals mit Absicht gesagt, die Sowjets brauchten zu der Zeit einen, der ihnen sagte, was wir über sie denken.“ Danke Ronny, und zum Abschluß noch einmal kurz an den Schauplatz der nächtlichen Wiedervereinigung. Wie denn dies alles weitergehen soll, fragt der Kommentator aus New York seinen frierenden Reporter vor dem Brandenburger Tor. „Die Deutschen sind ein ordnungsliebendes Volk“, weiß dieser, „morgen früh wird alles wieder seinen geordneten Gang nehmen.“

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