Q U E R S P A L T E Kleinkunst ans Tor!

■ Überlaßt das Brandenburger Tor nicht den Rechtsradikalen

Die Weltgeschichte hat sich selbst eine Weltbühne geschaffen. Mit Sinn für theatralische Inszenierungen plazierte sie sich am Wochenende fett und grinsend auf dem Triumphbogen des Brandenburger Tors und befahl ihren himmlischen Beleuchtern, für anständiges Rampenlicht zu sorgen. Der Vollmond wurde zum gehorsamen Scheinwerfer, unterstützt von den irdischen der internationalen Fernsehstationen: eine Atmosphäre für Gänsehaut.

Aber sie wären sicher auch bei Halb- oder Neumond zu diesem und keinem anderen Platz vor der Mauer gezogen, die fackeltragenden CDU-Fritzen, die blondbezopften BDM-Mädels vom Bund Heimattreuer Jugend, die ganzen Wiedervereinigungs

heuler, Besoffkis und Skinheads, die dort am Samstag die Vopos mit Flaschen und Feuerwerkskörpern attackierten. Dieses Tor des Pathos, Symbol der deutschen Teilung, hätten sie wahrscheinlich am liebsten im Sturm genommen.

Daß dieser Schauplatz zu viel Besserem taugt, hat am Sonntag Drehorgel-Rolf aus Halle an der Saale entdeckt. Der „Weltrekordhalter im Leierkastenspielen“ - laut Eigenwerbung - verwandelte die Weltbühne zur attraktivsten Kleinkunstbühne der Welt. Des Beifalls der Zuschauer und der Aufmerksamkeit der TV-Reporter sicher, riß er unter einer riesigen Bananenflagge seine Witze und leierte seine Leier.

Schauspieler, Liedermacher, Clowns und Gaukler aller Länder: Vereinigt euch! Macht das Brandenburger Tor zur Kleinkunstbühne! Linke Utopisten aus Ost und West: Steigt auf eine Kartoffelkiste, macht das Brandenburger Tor zur speakers corner und erinnert an die Dialektik der Geschichte! Erzählt davon, daß sie hier schon öfter ihre Possen gerissen hat: Preußenkönig Friedrich Wilhelm II. ließ das Tor 1791 als „Friedenstor“ bauen, obwohl er vorhatte, als glorioser Sieger über das revolutionäre Frankreich durch den Triumphbogen zu ziehen. Doch daraus wurde nichts, geschlagen und jämmerlich kehrten 1792 die preußischen Truppen zurück. So wird es auch diesen ekligen Deutschtümlern gehen, wenn ihr die Chance eurer Stunde endlich begreift. Schließlich profitieren alle davon: Die Leute haben ihre Unterhaltung und ihr euren Unterhalt. Und die Stadt und die Welt ihren Frieden.

Ute Scheub