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Kohl deutschelt - Klein jennigert

■ Während der Bundeskanzler sich bei seinem Polenbesuch in Lublin den Ehrendoktorhut aufs Haupt setzen läßt, ist Heinz Galinski über eine Äußerung von Regierungs-„Sprecher“ Jonny Klein schockiert / Der hatte von „internationalem Judentum“ gesprochen

Lublin (dpa) - Kein Fettnapf ist zu groß für die Kohl -Regierung. Jüngster Eklat im Gefolge der Polenreise des Kanzlers: eine Äußerung des Kohl-Sprechers Jonny Klein. Der hatte im Zusammenhang mit der zeitlichen Verlegung des Besuchs von Bundeskanzler Helmut Kohl im ehemaligen KZ Auschwitz, der ursprünglich am jüdischen Sabbat-Feiertag (Samstag) stattfinden sollte, hatte Klein Verständnis „für die Bedenken des internationalen Judentums“ geäußert. Auf spätere Vorhaltungen hatte er die Auffassung vertreten, dieser Begriff „sei bei Juden geläufig“. Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, hat daraufhin gestern in Warschau den Ausdruck auf „das Tiefste bedauert“. Er verstehe nicht, „wie ein Minister so wenig sensibel“ sein könne. Galinski, der offizieller Begleiter Kohls ist, sagte, er wolle kein „Störenfried“ sein, merke aber immer mehr, daß er offenbar „Alibifunktion“ hatte. Jüngsten Meldungen zufolge hat klein am Montag seine umstrittene Formulierung vom „internationalen Judentum“ zuückgezogen. Klein sagte vor Journalisten in Warschau: „Ich habe keine Schwierigkeiten zu erklären, daß dieser Ausdruck von mir nicht mehr benutzt wird.“

Polnische Reaktionen auf Kreisau

Die gemeinsame deutsch-polnische Messe unter Teilnahme von Bundeskanzler Kohl und Premier Tadeusz Mazowiecki am Sonntag in Kreisau (Krzyzowa) ist von der polnischen Presse überwiegend positiv aufgenommen worden. „Ein großes Ereignis sei es gewesen von hystorischem und symbolischen Ausmaß“, schreibt etwa die Regierungszeitung 'Rzeczpospolita‘ (Die Republik) in einer Reportage. Und der 'Sztandar Mlodych‘ (Fahne der Jugend), eine der PVAP nahestehende Tageszeitung für Jugendliche, vergleicht die Umarmung zwischen Kohl und Mazowiecki gar mit Brandts Kniefall von 1970: „Die Umarmung, diese sysmbolische Geste der Vertreter zweier seit Jahrzehnten zerstrittener Völker besiegelte die jahrelangen Bemühungen der Politiker. Sie krönt den Zeitraum in unserer gemeinsamen polnisch-westdeutschen Geschichte, der mit dem Kniefall von Kanzler Brandt vor dem Ghettodenkmal 1970 begonnen hat.“ Die Geste, auf die 'Sztandar Mlodych‘ so ausführlich eingeht, wird in den Kommentaren des Parteiorgans 'Trybuna Ludu‘ nicht einmal erwähnt. Umso mehr Beachtung finden dafür die Anwesenheit zahlreicher Vertreter der deutschen Minderheit, die als „polnische Bürger, die sich zur deutschen Minderheit rechnen“ bezeichnet werden. Sie seien massenweise zum Teil von Küste „herbeigefahren worden“. Das demonstrative Vorzeigen deutschsprachiger Plakate mit Aufschriften wie „SOS für Oberschlesien“ oder „Wir fordern deutsche Schulen“ habe zu dem Charakter der Messe nicht gepaßt. Daß die Messe durch die Anwesenheit und das Verhalten der „Deutschen Freundeskreise“ den Charakter einer politischen Demonstration angenommen habe, findet auch die 'czpospolita‘. Die 'Trybuna Ludu‘ indessen nimmt dies zum Anlaß, sich in einem zusätzlichen Kommentar mit der Rolle der deutschen Minderheit in Polen zu befassen. Ausnahmen eingeschlossen, befindet Ryszard Drecki, verbinden Polen mit dem Begriff deutsche Minderheit vor allem Heckenschützen der 5.Kolonne von 1939, Volksdeutsche und die guten Dienste, diese dem Terrorapparat Hitlers in Polen geleistet hätten. Heute würde eine angeblich millionenstarke deutsche Minderheit von westdeutschen Revanchisten dazu benutzt, quasi von innen her eine künftige Grenzrevision vorzubereiten. Gewissermaßen mit gerunzelter Stirn zitiert die Trybuna denn auch einen Bewohner von Raciborz, der sich selbst für einen Deutschen hält und gesagt habe, es wären noch viel mehr seinesgleichen gekommen, hätte die Messe auf dem Annaberg stattgefunden. Der “ Sztandar Mlodych äußert auch Bedauern, allerdings über etwas anders: „Schade, daß das Ganze nicht am 1.September stattgefunden hat.“

Klaus Bachmann

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