: Rückkehrer und Rücktritte
Rudolf Bahro jetzt wieder auf Ost-Trip ■ E R E I G N I S D D R
Streit um die Führungsrolle im Neuen Forum zeichnet sich ab, noch bevor die Opposition sicher in den Startlöchern steht. Der Leipziger Sprecher des Forums Jürgen Tallig beklagte die Haltung der Berliner um Bärbel Bohley, die im Namen der gesamten Organisation sprächen, ohne die anderen Bezirke zu konsultieren. Hier seien noch Lernprozesse nötig. Mit einer erneuerten SED könne sich Tallig eine Zusammenarbeit vorstellen.
Der Grenzschutz in Bayern meldete, die Zahl der Übersiedler sei weiter zurückgegangen.
Zurück in seine Heimat will auch Rudolf Bahro. Mit seiner Bestandsaufnahme des realen Sozialismus und dessen Veröffentlichung im Westen (Die Alternative) war er 1977 in Ungnade gefallen und erhielt acht Jahre Gefängnis. Seit '79 lebt er in der BRD. Nach einem kurzen Intermezzo in den politischen Niederungen der Grünen machte sich der Kritiker auf ins Reich des Transzendentalen und veröffentlichte eine Alternative für den Westen, Die Logik der Rettung. Diesmal ohne folgenschwere Konsequenzen. Bahro will zurück, weil „es gerade jetzt darum geht, das andere Fundament der DDR zu bewahren und eine ökologische Wende herbeizuführen.“
Für nicht so prominente Rückwanderer erörtern gerade die Stellen des Roten Kreuzes beider deutscher Staaten die Modalitäten einer Rückführung. Mehrere tausend Ausreiser sollen sich mittlerweile beim Roten Kreuz der BRD erkundigt haben. Die einen kehren, die anderen treten zurück. So ereilte dieses Schicksal auch den Präsidenten des DDR-Roten Kreuzes Gerhard Rehwald. Über seine Verfehlungen wurde nichts bekannt.
Mit einer Blitzumfrage, die allerdings nicht den Kriterien der Repräsentativität entspricht, reagierte das Institut für Soziologie und Sozialpolitik an der Akademie der Wissenschaften in Berlin auf die Wende. Demnach verlangen 97 Prozent der DDR-Bürger ein verändertes Wahlsystem.
Mehr zu lesen wird es in Kürze in der DDR auf jeden Fall ge
ben. DDR-Schriftsteller Stephan Hermlin zeigte sich überzeugt, daß alle bundesdeutschen und in der BRD publizierten DDR-Schriftsteller demnächst in der DDR erscheinen werden.
Noch mit dem Mangel zu kämpfen hatte dagegen West-Berlins Bürgermeister Walter Momper. Der Mann mit der Nase fürs Volk wollte sich nach der Eröffnung eines zusätzlichen Grenzüberganges bei feuchten Witterungsverhältnissen von innen stärken. Die Suche nach Schnaps und Kneipe auf DDR -Gebiet mußte er ergebnislos abbrechen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen