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Oldenburger DKP-Chefs zerknirscht: „Blinde Solidarität mit der SED“

■ Persönliche Erklärung des Kreisvorsitzenden der DKP Oldenburg, Dieter Döpke, und des Fraktionsvorsitzenden der DKP im Oldenburger Rat, Hans-Joachim Müller, zu den aktuellen Entwicklungen in der DDR

„Mit tiefer Bewegung und Betroffenheit verfolgen wir die aktuellen Entwicklungen in der DDR. (...)

Unsere Partei, wir persönlich, haben in der Vergangenheit mit dem, was wir als „Sozialismus-Propaganda“ bezeichneten, wenig dazu beigetragen, ein realistisches DDR-Bild bei uns selbst, bei Freunden und Sympathisanten der DKP, in Teilen der Öffentlichkeit unseres Landes und unserer Stadt, entstehen lassen. Im Gegenteil! Wir haben uns beteiligt an einer Propaganda,

-die kritiklos die bestehenden Verhältnisse in der DDR rechtfertigte,

-Verantwortung für dennoch offenkundige Fehlentwicklungen vornehmlich dem politischen Gegner innerhalb und außerhalb der DDR anlastete,

-kritische und oppositionelle Bewegungen in der DDR regelmäßig als „staatsfeindlich“ und antisozialistisch diffamierte.

Wir haben zahlreiche Entscheidungen der DDR-Partei-und Staatsführung gutgeheißen, die im Kern gegen die Interessen des eigenen Volkes, gegen allgemeine Menschenrechte, gegen demokratische Grundrechte einzelner Personen gerichtet waren. Wir haben im Bezug auf die DDR häufig nicht als eigenständige politische Kraft, sondern vielfach wie eine Partei bzw. Person gedacht und gehandelt, deren Wahrnehmung und Beurteilung des realen Sozialismus sich in blinder Solidarität mit SED-Politik erschöpfte.

Aus dieser Verantwortung für die Darstellung eines nicht selten falschen DDR-und damit Sozialismus-Bildes wollen wir unsere Partei, ihre Führung und uns selbst nicht entlassen. Wir sehen keine Möglichkeit, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen, engagiert die Interessen zahlreicher Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt in der Kommunalpolitik zu vertreten, wenn wir nicht gerade im Hinblick auf unsere Haltung zur DDR einen glaubwürdigen Neubeginn der DKP anstreben. „Glaubwürdiger Neubeginn“ heißt für uns grundsätzlich

-Herausbildung einer eigenständigen, unabhängigen Politik der DKP, die sich der SED wie anderen Geschwisterparteien in kritischer Solidarität verbunden fühlt,

-Erarbeitung einer grundlegend veränderten Sozialismus -Konzeption der DKP. (...)

Wir sind uns darin einig mit vielen tausend Mitgliedern der DKP, aber auch mit vielen fortschrittlich denkenden Menschen in den Gewerkschaften, bei den Grünen, in der SPD sowie anderen politischen und gesellschaftlichen Organisationen.(...)

Wir kämpfen in unserer Partei für eine Politik, die von diesen Überlegungen ausgeht und ihr Verhältnis zur DDR und zur SED neu bestimmt. Wir bleiben jedoch in entschlossener Gegnerschaft zu allen Plänen und Überlegungen, die gegenwärtige, dramatische Krise des DDR-Sozialismus zur Verwirklichung großdeutscher Wiedervereinigungszenarien nutzen zu wollen.“ Dieter Döpke, Hans-Joachim Mülle

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