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Illegaler Atom-Deal in Brüssel geplatzt

Eine internationale Gangstertruppe wollte 500 Gramm radioaktives Cäsium auf dem Schwarzmarkt verschachern / Acht Personen verhaftet / Der strahlende Stoff lagerte im Kofferraum und stammt warscheinlich aus Zaire / Das Angebot war kein Einzelfall  ■  Von W. Gast und Th. Scheuer

Berlin/Brüssel (taz) - Direkt vor den Toren der Brüsseler Atomkontrolleure der Euratom sollte ein internationaler Deal mit illegal ausgeführten Spaltprodukten über die Bühne gehen. In Zusammenarbeit mit dem bayerischen Landeskriminalamt (LKA) sind am Freitag in Brüssel von der belgischen Polizei 500 Gramm radioaktiven Materials sichergestellt worden, das zuvor als Cäsium137 angeboten worden war. Acht Personen wurden verhaftet. Nach einer LKA -Mitteilung vom Dienstag abend sollte der Deal für drei Millionen Mark abgewickelt werden. Der Zugriff der belgischen Polizei erfolgte aufgrund von Informationen aus München. Die Verhandlungen um den Verkauf hätten am Freitag gegen Mittag ein konkretes Stadium erreicht, und die Beamten hätten dann sieben Männer und eine Frau in mehreren Brüsseler Hotels festgenommen. Bei den Festgenommen handelt es sich um zwei Bundesbürger, einen Schweizer, zwei Marokkaner sowie zwei Männer und eine Frau aus Belgien. Gegen alle erging ein Haftbefehl. Der strahlende Stoff lagerte in einem Metallbehälter, der im Kofferraum des Personenwagens eines der Täter aufbewahrt worden war. Seine Herkunft sei noch unklar, teilte das LKA gestern mit.

Wem das illegale Schwarzmarktprodukt angeboten wurde, wollten die bayerischen Fahnder gestern aus ermittlungstaktischen Gründen ebensowenig bekanntgeben wie die Fragen beantworten, wozu das Cäsium verwendet werden sollte oder ob Beamte der belgischen Polizei als Aufkäufer in Erscheinung traten. Nach den bisherigen Erkenntnissen des LKA handelt es sich aber zweifelsfrei um radioaktives Material, dessen genau Identität und Strahlungsintensität noch untersucht würden.

Cäsium137 zählt zu den wichtigsten künstlichen Radionukliden mit einer Halbwertszeit von 30,2 Jahren. Es zerfällt unter Aussendung von Beta- und Gammastrahlung. Unter anderem wird es zur Lebensmittelbestrahlung verwendet.

Nach Recherchen der taz ist dies nicht der erste Fall, bei dem illegales, an den Kontrollen von Euratom oder IAEO vorbeigeschleustes Spaltmaterial auf dem internationalen Schwarzmarkt angeboten wurde. In den vergangenen neun Monaten wurde beispielsweise einer Brüsseler Atomhandelsfirma mehrfach unkontrolliertes Material angeboten. Die Firma hatte die Polizeibehörden verständigt, aber zu den vereinbarten Terminen waren die Anbieter nicht erschienen.

Insider vermuten, daß das radioaktive Material aus dem Abbrand des ein Megawatt starken Forschungsreaktors „Trico“ nahe der Hauptstadt Kingshasa in Zaire stammt. In der früheren Kolonie „Belgisch Kongo“ wurden 1920 die ersten Uranvorkommen entdeckt, und die 1930 eröffenete Uranmine „Shincolobwe“ galt jahrelang als weltweit größte Fundstätte. Sowohl die Atomanlagen in Zaire als auch in Belgien stehen unter der Kontrolle der Euratom. Die Beschlagnahme des Spaltproduktes Cäsium belegt einmal mehr die Ineffektivität der internationalen Atomkontrollen.

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