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„Gefängnis ohne Mauern“

Der Sektenbeauftragte der ev. Kirche, Thomas Gandow, warnt die Besucher aus dem Osten vor Sekten und Gurus  ■ I N T E R V I E W

taz: Warum machen die Sekten jetzt hier so mobil?

Thomas Gandow: Weil alle diese Gruppen einen großen Markt im Osten wittern, der durch die Enttäuschung der Leute dort entsteht. Die Leute suchen Orientierung. Die Sekten denken offensichtlich, daß die Leute im Osten ein bißchen naiver und weniger unterrichtet sind als hier, und alles, was aus dem Westen kommt, möglicherweise positiv aufnehmen. Der andere Grund ist, daß es eine ganze Reihe von Gruppen gibt, die immer, wenn irgendwo in der Welt die Scheinwerfer angehen, als Telewinker und Imagesauger ein bißchen von der Aufmerksamkeit abbekommen wollen.

Was für eine konkrete Gefahr sehen Sie für die Ostler, die sich von diesen Gruppen einfangen lassen?

Jeder muß sich klar machen, daß diese Gruppen nur für sich arbeiten und nicht für Frieden oder wirtschaftliche Verbesserungen eintreten. Jeder, der dort reingeht, wird von den Gruppen für deren Ziel - Macht, Einfluß und Geld mißbraucht. Alle Verprechungen, daß einem das selber nutzen kann, sind gelogen. Ich sehe die ganz konkrete Gefahr, daß Leute, die 28 oder 40 Jahre von einem politischen System an der Nase rumgeführt wurden, jetzt freiwillig in ein Gefängnis ohne Mauern eintreten.

Sind die Sekten in den Ostländern bekannt?

Man muß den Leuten überhaupt erst einmal sagen, daß es diese Sekten gibt. Ich befürchte, daß die Regierungen im Ostblock zum Teil ein ganz taktisches Verhältnis zu diesen Sekten haben. In Polen wurden zum Bespiel Sekten unterstützt, um der katholischen Kirche ein bißchen zu schaden. In der Sowjetunion scheint es so zu sein, daß man da die Mun -Bewegung hofiert: In einer russischen Zeitung erschien kürzlich sogar ein Interview mit der Ehefrau von Mun. Ich kann vor solcher Naivität nur warnen.

Int: plu

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