: Scheinbares Dis-Engagement
Die eigene Rolle in El Salvador soll in den USA kein Thema sein ■ K O M M E N T A R
El Salvador scheint auf dem Weg zurück in die frühen achtziger Jahre, als monatlich rund 400 Zivilisten von rechten Todeskommandos ermordet wurden. Die Zunahme solcher Mordanschläge durch die Armee und die Killer-Truppen des Major D'Aubuisson, zu deren Kontrolle sich auch Präsident Cristiani nicht in der Lage sieht, standen am Anfang der jüngsten Spirale der Gewalt. Ohne den Anschlag auf das Gewerkschaftsbüro der „Fenastres“ am 31. Oktober, bei dem zehn Gewerkschafter getötet und 40 verletzt wurden, hätte es die militärische Offensive der FMLN - zumindest zum jetzigen Zeitpunkt - nicht gegeben. Zwar waren die Rebellen seit langem auf einen Beweis ihrer militärischen Schlagkraft vorbereitet, doch dies nur als Teil einer Doppelstrategie aus militärischem Kampf und politischer Verhandlungsbereitschaft, mit der die FMLN seit einiger Zeit auf die neuen Verhältnisse unter der „Anrena„-Regierung zu reagieren versucht.
Was von den USA in Washington als „Verzweiflungsakt“ gebrandmarkt wurde, war letztlich nur die logische und wohlüberlegte Antwort der Rebellen auf ihr Hingehaltenwerden in den Verhandlungen durch eine passive Allianz aus Arena -Regierung und Bush-Administration, auf deren ersten konstruktiven Vorschlag zur Lage Zentralamerika man seit einem Jahr vergeblich wartet. Anstelle der oft umstrittenen anti-kommunistischen Rhetorik der Reagan-Administration in Sachen Mittelamerika ist unter George Bush die es angeblich allen Seiten recht machende Politik eines allgemeinen Demokratiegefasels getreten, offenbar des Präsidenten Zugeständnis an die geopolitische Großwetterlage. In Nicaragua wird der militärische Druck durch eine vermutlich effektivere ökonomische Repression (Wirtschaftssanktionen) abgelöst, während sich die Vereinigten Staaten seit der Inthronisierung der Arena-Regierung was El Salvador angeht nach außen hin zurückhalten, nach dem Motto: Gebt der Arena -„Demokratie“ eine Chance, unsere Politik weiterzuführen.
Ergebnis dieser US-Strategie ist, daß die militärische Unterstützung in der Form gerade vom Kongress bewilligter 85 Millionen Dollar weitergeht, ohne daß die lästigen Liberalen wie die Senatoren Dodd und Kerry mehr laut aufschreien.Obwohl dort Gewerkschaftsführer und Jesuiten -Priester durch von den USA trainierte (Para-)Militärs mit von den USA finanzierten Waffen umgebracht werden, ist die Verwicklung der imperialen Großmacht in den Bürgerkrieg von El Salvador kein Thema mehr. Die Politik eines scheinbaren Dis-Engagements der USA in Mittelamerika ist bisher innenpolitisch ein voller Erfolg für die Bush-Regierung. Die Opposition der Demokraten ist angesichts des versuchten Aufbaus US-freundlicher Formaldemokratien in El Salvador und Nicaragua ruhig, so daß die Einflußnahme über wirtschaftliche Erpressung oder finanzielle Unterstützung ungestört weiter gehen kann.
Rolf Paasch
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen